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Arbeit ist das halbe Leben? Karikaturen zu Mensch, Maschinen und Moneten

Arbeit ist das halbe Leben? Karikaturen zu Mensch, Maschinen und Moneten
Datum:
Veröffentlicht: 4.11.19
Von:
Dr. Manfred Böhm, Kath. Betriebsseelsorge
Dr. Manfred Böhm, Leiter der Betriebsseelsorge im Erzbistum Bamberg, anlässlich der Karikaturen-Ausstellung zu Mensch, Maschinen und Moneten
Arbeit ist das halbe Leben? Karikaturen zu Mensch, Maschinen und Moneten

Wer einen realistischen Blick auf das Phänomen der Arbeit wirft, wird sofort deren Doppelcharakter erkennen können.

Einerseits wird Arbeit nicht selten als etwas Unangenehmes empfunden, ist mit Mühe, Anstrengung und Schweiß verbunden, manchmal sogar mit Widerwillen. Dabei ist uns bewusst, dass sie unumgänglich ist für unseren Lebensunterhalt. Mit der Erwerbsarbeit sichern wir schließlich unsere Existenz. Und sogar jenseits der Erwerbsarbeit wartet – bisweilen nervtötende – Arbeit auf uns: vom Abwasch bis zum Rasenmähen, vom Kelleraufräumen bis zur Steuererklärung. Auf solche Arbeit würden wir manchmal gerne verzichten.

Andererseits können und wollen wir von der Arbeit nicht lassen. Weil wir nämlich durch sie in Beziehung treten zur Welt und zu unseren Mitmenschen. Weil wir gestalterisch tätig sein und uns selbst ausdrücken wollen. Weil es zu unserer menschlichen Natur als findigen Wesen gehört, dass wir kreativ sind. Arbeiten ist sozusagen in unserer DNA angelegt und gehört somit zu unserer Identität. Ohne Arbeit können wir nicht gut leben.

Gott selbst wird im Schöpfungstext des Alten Testaments als arbeitender Gott dargestellt. Sechs Tage hat er gearbeitet und vom siebten Tag heißt es, dass er geruht habe, nachdem er seine ganze Arbeit (sein ganzes Werk) vollbracht hatte. Das hebr. Wort für Arbeit heißt „malacha“. Wir hören es noch nachklingen im Wort „Maloche“. Gott also wird als Arbeiter, wenn man so will als Malocher dargestellt, als einer der sich nicht zu schade ist anzupacken. Das unterscheidet ihn fundamental von allen Göttern der antiken Nachbarschaft und macht ihn zu etwas Besonderem.

In unserer modernen Arbeitsgesellschaft, in der ca. 85-90% der betroffenen Bevölkerung lohnabhängig beschäftigt sind, kommen der Arbeit noch weitere gesellschaftliche Funktionen zu: Sie integriert die Menschen in die sozialen Sicherungssysteme und garantiert dadurch die Teilhabe an den gesellschaftlichen Errungenschaften. Sie sorgt für soziale Anerkennung und Wertschätzung der Arbeitenden, die für die Entwicklung der Persönlichkeit unabdingbar ist. Und sie wirkt sinnstiftend und trägt damit zur persönlichen Zufriedenheit, wie auch zur gesellschaftlichen Stabilität bei. Alles sehr, sehr gute Eigenschaften!

Wird das also hier ein Loblied auf die Arbeit? Es wäre schön, wenn wir es ungetrübt singen könnten. Aber jede und jeder weiß, dem ist nicht so. Die konkrete Arbeit hat ihre Schattenseiten und manchmal sogar ihre Abgründe. 60 Jahre lang gibt es nun schon die Betriebsseelsorge als Dienst der Kirche an den arbeitenden Menschen. 60 Jahre lang hat die Betriebsseelsorge gerade auch immer diese Schattenseiten der jeweiligen Arbeitswelt in den Blick genommen und dabei unbeirrt die Menschen in den Betrieben begleitet, sich auf ihre Seite gestellt und immer wieder auch den Mund aufgemacht, wenn ihnen die Worte fehlten.

Aber statt ausführlicher und damit zeitraubender Erfahrungsberichte aus der Arbeitswelt zu hören, haben wir es heute leichter. In der zum genannten 60 jährigen Bestehen der Betriebsseelsorge organisierten Ausstellung werden uns Themen aus der Welt der Arbeit komprimiert und zugespitzt vor Augen geführt. Dabei war die Resonanz unter den Karikaturisten riesig. Sage und schreibe 1899 Bilder aus aller Herren Länder sind eingegangen, darunter etwa China, Saudi-Arabien und Australien. Davon sind durch eine Jury 60 Werke ausgewählt worden und hier zu bewundern.

Denn das ist das Schöne an Karikaturen. Sie ersetzen mit einer Zeichnung oder kleinen Zeichenfolge auf einem Blatt nicht selten wortreiche und seitenlange Referate zu einem Thema. Mit einem Blick wird nicht nur die Situation, um die es geht, deutlich. Es wird auch eine Wertung mitgeliefert, die den Betrachter unmittelbar herausfordern will. Er soll selbst Stellung beziehen. Kein mündlicher oder schriftlicher Appell an die geistige Mündigkeit des Hörers oder Lesers könnte dies in ähnlich direkter Weise auslösen.

Es geht der Karikatur darum, in einer humorvollen Art und Weise ein ernstes Thema an den Betrachter zu transportieren. Und zwar so, dass hinter dem anfänglichen Lächeln des Betrachters stets auch seine Nachdenklichkeit, mag sein auch sein Widerspruch, herausgelockt wird. Denn es geht der Karikatur nicht um einen oberflächlichen Witz oder platte Belustigung, die mit einem spontanen Lachen abgearbeitet wäre. Hinter den Karikaturen steckt mehr, da ist eine höhere Moral, eine Neigung zur Menschlichkeit zu entdecken, die sich mit Hilfe ironischer Überzeichnung parteiisch einmischt. Die Kritik, die in den zeichnerischen Entlarvungen der Karikaturisten sichtbar wird, hilft unseren eigenen Gedanken ans Licht. Karikaturen sind darin unschlagbar, dass sie nachgerade dazu zwingen, eine eigene Meinung zu entwickeln.

Übertreibung ist ja bekanntlich das beste Mikroskop. Und mit dieser erkenntnisleitenden Grundhaltung können wir uns paradigmatisch einigen wenigen Karikaturen und ihren Themen nähern.

• Da ist etwa eine Karikatur von Luff. Es geht um das Thema Niedriglohn. Das Bild wird dominiert von einem großbürgerlich anmutenden Domizil mit Deutschlandflagge und einem Oberklassewagen vor der Tür. Daneben sieht man an die Wand gedrückt eine baufällige und notdürftig zusammen genagelte Bretterbude mit der Aufschrift „Niedriglohnsektor“. Der Titel der Karikatur heißt „Schandfleck“. Und mehr braucht es auch nicht, um die Aussage zu verstehen. Mit einem Blick erfasst der Betrachtende das Skandalöse der Situation: Die einen leben in relativ komfortablen und sicheren Verhältnissen, die anderen stehen draußen vor der Tür und fristen ihr Dasein unter jämmerlichen Bedingungen. Die Niedriglöhnerhütte stört als Schandfleck den schönen Anblick auf das wohlhabende und soziale Gemeinwesen.

• Ein andere Karikatur, sie stammt von Gerhard Mester, beschäftigt sich mit dem Thema Betriebsklima. Drei Kollegen -man müsste wohl eher von Konkurrenten sprechen- an drei Schreibtischen in einem Zimmer belauern sich gegenseitig und machen sich Notizen über die Vergehen der jeweils anderen. Sofort leuchtet unmittelbar ein: Wo ein schlechtes Betriebsklima herrscht, wo vielleicht sogar gemobbt wird, ist´s mit der Arbeitsleistung und dem Arbeitswillen nicht weit her. Zu viel Energie geht durch zwischenmenschliche Reibungen verloren.

• Eine letzte Karikatur noch. Sie stammt von Markus Grolik und behandelt das Thema der Digitalisierung der Arbeitswelt. Ein menschenähnlicher Roboter ist zu sehen mit einem Schild um den Hals. Die Aufschrift: „Übernehme jede Arbeit. Auch Deine.“ Das Bild löst ein klammes Gefühl aus. Sehr komprimiert wird hier die Unsicherheit vor dem, was die Digitalisierung bringen könnte, ins Bild gesetzt. Wird möglicherweise meine Arbeit ersetzt, wie wird sich mein Berufsbild verändern, kann ich bei den Veränderung mithalten und kann ich meinen Lebensstandard halten? Fragen, die sich geradezu aufdrängen und die den vordergründigen Humor durchbrechen.

Ich freue mich, dass diese Ausstellung nach vieler und detaillierter Vorbereitung zustande gekommen ist. Sie wird in den nächsten Monaten weiter durch das Erzbistum wandern. Arbeit ist eben ein Thema sprichwörtlich für alle Menschen. Ob Arbeit das halbe Leben ist, wie im Titel der Ausstellung gefragt wird, darauf muss jede und jeder für sich eine Antwort finden. Je nach Lebenssituation wird die Antwort vielleicht auch unterschiedlich ausfallen. Arbeit kann sehr erfüllend und befriedigend, aber eben auch sehr belastend und beschwerlich sein. Klar ist jedenfalls: Arbeit ist für uns und unser Leben ein elementarer Faktor. Aber klar ist auch: Sie ist definitiv nicht der einzige Faktor, nach dem wir unser Leben ausrichten sollten.

Und so wünsche ich Ihnen und euch anhand der Bilder eine vergnügliche Entdeckungsreise durch die Welt der Arbeit und dabei den einen oder anderen nachhaltigen Gedanken über die heutige Eröffnung hinaus.

Siehe auch Download unten!

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