"Arbeitslos - nein danke!" - Theater spielen für einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit
Wer wird Zeitmillionär?
Erwerbslose spielen Theater. Was bewegt Menschen, die in der Regel ihre Lage als bedrückend empfinden und lieber nicht in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollen, eine Bühne zu besteigen? Das Ökumenische Arbeitslosenberatungszentrum Nürnberg (ÖAZ) hat seinen Klienten ganz bewußt einen Theaterworkshop angeboten, der auch schnell voll war. Das Ergebnis ihrer viertägigen Arbeit zum Thema "Arbeitslos - nein danke!" unter der Leitung von Theaterpädagogin Kerstin Körner präsentierte die motivierte neunköpfige Truppe dem Publikum im Fenster zur Stadt.
Die Idee zu dieser ungewöhnlichen Aktion reifte in der im ÖAZ schon mehrmals mit Erfolg durchgeführten Seminarreihe "Körpersprache in Alltag und Beruf". Darin wird den Teilnehmern bewußt gemacht, dass ihre als bedrückend empfundene Situation und ihre daraus resultierende Mutlosigkeit sich in Haltung und Körpersprache widerspiegeln.
Körpersprache trainieren
Mit ihrer Erfahrung aus der Theaterarbeit will Kerstin Körner die Teilnehmer anregen, aktiv dagegen anzugehen, Motivation, Kreativität und Lebenslust wieder zu entfalten, der negativen Situation zu trotzen, sich gegen Stigmatisierung und Ungerechtigkeit zu wehren und gleichzeitig durch bewusstes Auftreten die Chance bei Bewerbungsgesprächen zu steigern und insgesamt das eigene Lebensgefühl zu verbessern.
Durch diese Schnupperlehre in Sachen Theater kam bei den Teilnehmern der Wunsch auf, sich direkt als Schauspieler auszuprobiere. Das unvorhersehbare schnelle und vor allem schuldlose Abstürzen in die Arbeitslosikgeit wählten sie als theamtische Grundlage für ihren Workshop "Arbeitslos - nein danke!". Feste Texte gab es nicht; die Figuren, ihre Bewegungen und Sprache wurden unter Körners Anleitung von den Darstellerinnen und Darstellern aus der Situation heraus improvisiert.
Reise nach Jerusalem
Erwachsene Frauen und Männer, die dem Outfit nach verschiedenen Branchen angehören, hasten um Stühle, auf ein akustisches Signal versucht jeder, einen Platz zu ergattern, und immer bleibt einer übrig - enttäuscht, ratlos, und die anderen grinsen. Ein Stuhl wird entfernt - das Spiel beginnt von Neuem. "Die Reise nach Jerusalem", das Kinderspiel, bei dem es auf Schnelligkeit ankommt, dient hier als Verdeutlichung einer willkürlichen Auslese im Arbeitsprozess. Zu Beginn der Reise haben alle Mitwirkenden ihren Beruf, doch im hektischen Rennen um den Job bleibt Einer nach dem Anderen auf der Strecke, findet keinen Platz mehr, fliegt raus. Selbst die Gewinnerin, die am Ende den letzten Stuhl ergattert hat, braucht sich über die Glückwünsche nicht zu freuen. Schnell wird klar, dass sie es ebenso erwischt. Doch ohne Arbeit kein Geld; das Einkommen ist futsch. "Ihr Gewinn, ihr Hab und Gut ist Zeit" - bringt es einer der Gratulanten auf den Punkt, und: "Sie sind Zeitmillionäre!"
Die Darsteller sind eifrig bei der Sache. "Man kommt aus dem Alltag heraus", sagt ein ehemaliger Pflegehelfer, der seit einem halben Jahr arbeitslos ist. Ihm macht es Spaß, etwas Neues zu lernen, Wesenszüge an sich zu entdecken, die ihm nicht bewusst waren. "Es ist anstrengend eine Rolle zu spielen, stellt ein anderer fest. Ein Endfünfziger, der seit vielen Jahren "ohne richtigen Job" zurechtkommen muss, freut sich über dieses Angebot des ÖAZ. Er will jede Möglichkeit nutzen, aus Hartz IV herauszukommen. Von einer neuen Aufgabe als Sportlehrer erhofft er sich eine Wende. "Es geht aufwärts", lächelt er. Demgegenüber sieht ein früherer Kfz-Mechaniker für sich "Null Chance" auf eine Wiederbeschäftigung. Für ihn ist das Theaterspielen eine willkommene Zerstreuung.
Fähigkeiten schulen
Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt sind häufig schwierig. Viele Menschen aus den unterschiedlichsten Branchen geraten unverschuldet in die Erwerbslosigkeit, berichtet das ÖAZ, auch mit fundierter und hoch qualifizierter Ausbildung, mit kurzer wie mit jahrelanger Berufspraxis. "Das Theaterspiel schult Kompetenzen", sagt Kerstin Körner, vermittelt - wenn auch eher indirekt - vielfältige Fähigkeiten, die beispielsweise Teamfähigkeit, Selbstbewusstsein, Kreativität, Spontaneität, die auch oder gerade in der Situation von Arbeitslosen hilfreich sein können.
Quelle: Heinrichsblatte Nr. 19, Blickpunkt Kirche