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"Auch Jesus war Schreiner"

Auch Jesus war Schreiner
Datum:
Veröffentlicht: 21.9.15
Von:
Andreas Kirchhof

Den Preis „Arbeiter für Gerechtigkeit“ vergab die Katholische Betriebsseelsorge Bamberg heuer an Jürgen Fehn, Betriebsrat der Firma ASS – Einrichtungssysteme GmbH in Stockheim. Erzbischof Dr. Ludwig Schick überreichte ihm Urkunde, Bronzeplakette und 500 Euro Preisgeld. Es ist die 6. Vergabe des von Prälat Norbert Przibyllok, des ersten Betriebsseelsorgers des Erzbistums Bamberg, gestifteten Preises. Betriebsseelsorger Eckhard Schneider hielt die Laudatio. Mit Fehn werde ein Mensch ausgezeichnet, der als Gewerkschafter, Betriebsrat oder Kirchenmann nicht in der ersten Reihe zu findnen, „aber alles andere als ein Mitläufer“ sei. „Ein Mann, dessen Engagement nicht vom Ruhm geleitet ist, wohl aber von der menschlichen Zuwendung, wenn es notwendig und Notwendend ist.“ Er sei kein „Macher“, sondern er handle, wenn es um Menschen geht, wenn seine Überzeugungen zum Tragen kommen und wenn er seine Fähigkeiten einsetzen kann. Schneider nannte zwei „Patrone „ für Jürgen Fehn: die Heiligen Josef und Georg – Josef mit Blick auf Fehns Schreinerberuf und Georg als Jürgens Namenspatron, da sich Jürgen von Georg, dem frühchristlichen Märtyrer ableite. Die beiden Heiligen seien beim Kirchenvolk hoch angesiedelt – und Fehn sei bei den Beschäftigten als Dienstältester Betriebsrat anerkannt und auch hoch angesiedelt. Josef und Georg seien als Namen aus der Mode gekommen. Fehns Kombination als „IG-Metaller plus Betriebsrat mit Vorgesetztenfunktion und bekennender Katholik scheint ebenfalls nicht mehr modern“ zu sein. Von Josef und Georg seien keine Worte und Zitate überliefert – und Fehn falle nicht durch Reden auf, sondern durch zupackend und kompetente Hilfe. Josef der Schreiner, so erklärte Schneider weiter, werde im 1. Kapitel des Matthäus-Evangeliums als „gerecht“ bezeichnet „und Jürgen der Schreiner von uns heute als ,Arbeiter für Gerechtigkeit‘ ausgezeichnet.“ In Fehns Biografie würden sich vier Haltungen offenbaren, betonte der Betriebsseelsorger: Geradlinigkeit und Kompetenz, Bodenständigkeit und Übersichtlichkeit, Verlässlichkeit und Treue sowie Teamfähigkeit und Hilfsbereitschaft. Schneider berichtete weiter, Papst Franziskus habe in seinem „Weltrundschreiben Evangelii gaudium“ betont, dass bestimmte Haltungen die Seelsorgetätigkeit erleichtern: Nähe, Bereitschaft zum Dialog, Geduld und menschliches Engagement, das nicht verurteilt. „Dies passt auch auf Jürgens Betriebsrat-Arbeit, die oft eine Seelsorge-Arbeit ist.“ Abschließend zählte der Laudator „Leit- und Leidsätze für Jürgen für uns alle ins Stammbuch geschrieben“ auf: „Den eigenen Kopf benutzen, auf die Menschen zugehen (aber nicht betteln), zu viele haben keinen Arsch in der Hose, den Zusammenhalt stärken, sich nicht verbiegen lassen und nicht aufgeben.“ Erzbischof Schick überreichte den Preis und bemerkte, es sei ein gutes Zeichen, dass so viele Kollegen Fehns der Feier beiwohnen. Er betonte: „Auch Jesus war Schreiner“. Das solle ihn ermutigen. „Arbeiter für Gerechtigkeit“ – diesen Ausdruck sage im Alltag doch keiner. Arbeiter für den Lebenserhalt und die Familie sei geläufig. Aber die Arbeit für Gerechtigkeit im Betrieb, in der Familie und der Nachbarschaft sei sehr wichtig. Der Erzbischof definierte Gerechtigkeit: „Jeder soll das bekommen, das er für ein gutes Leben braucht“. Gerechtigkeit sei ein einfacher und fordernder Begriff. Ein christliches Leben solle einfach, lebensnah und menschennah sein. Man solle den Anderen fragen, wie es ihm geht und ob man hilfreich tätig sein kann. Der Christ solle sich im Betrieb einsetzen –mit dem Blick darauf, dass jeder sein Recht bekommt – besonders die, die am Rande stehen. Denen solle man Respekt und Würde erweisen. Eine Atmosphäre für Gerechtigkeit solle im Betrieb ausgebreitet werden. Das habe Fehn getan. Dafür danke er ihm im Namen der gesamten Erzdiözese. Sein gutes Vorbild solle viele ermutigen, ein Miteinander für Gerechtigkeit zu schaffen. Fehn bedankte sich für die Auszeichnung. „Stellvertretend für meine Kollegen nehme ich den Preis an“, betonte er. In der Bibel stehe, dass die Menschenwürde unteilbar sei. Er hoffe, dass der Erzbischof und seine Mitarbeiter die Betriebsräte kräftig unterstützen. Es gebe keinen einfachen Weg zur Menschenwürde, Gerechtigkeit und Frieden. Das sei nur mit Zusammenarbeit erreichbar. Der Leiter der diözesanen Betriebsseelsorge Dr. Manfred Böhm berichtete in seiner Rede, dass die Synode 1975 im Würzburger Dom die Vorlage „Kirche und Arbeiterschaft“ mit überwältigender Mehrheit angenommen habe. Kardinal Cardijn habe gesagt: „Eine Kirche ohne Arbeiterschaft ist nicht die Kirche Christi“. Heute werde argumentiert, dass es die „Arbeiterschaft“, von der die Synode redete, gar nicht mehr gebe. „Heute kann sich doch auch jeder Arbeitnehmer einen Mittelklassewagen leisten. Und so spricht man lieber von verschiedenen Milieus und ihren jeweiligen Charakteristika. Wertüberzeugungen, Kaufverhalten und Geschmacksfragen stehen dabei im Vordergrund. Auch in den Kirche greift man gern auf diese Erklärungsmuster gesellschaftlicher Unterschiede zurück, um daraus Erkenntnisse für die Pastoral zu gewinnen. Was bei dieser Hergehensweise aber oft zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass zwischen den Milieus – das lehrt die gesellschaftliche Erfahrung – verschiedene strukturelle Machtgefälle bestehen, die zur Folge haben, dass die einen mächtiger und reicher, die anderen ohnmächtiger und ärmer werden. Weiterhin forderte Böhm, „die Spuren des Reich Gottes in der Welt der Arbeit zu entdecken. Denn das Reich Gottes ist längst dort – möglicherweise verborgen und incognito, aber es muss zumindest nicht erst hingetragen werden“. Leider lasse heute das Umsichgreifen prekärer Beschäftigung, verbunden mit existenzgefährdender Bezahlung und der unausweichlichen Bedrohung durch Hartz IV das „geforderte Vollmaß der Verantwortung am Gemeinwohl nur schwer erkennen“. Papst Franziskus‘ „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ treffe auch die Situation in unserer hiesigen Gesellschaft.

 

aus Heinrichsblatt Nr. 26 vom 28. Juni 2015

Auch Jesus war Schreiner