Bei der Wahl bewusst entscheiden
APPELL Nicht wählen zu gehen, geht gar nicht. Das war die Quintessenz, welche die Betriebsräte bei der Infoveranstaltung „Ihr habt dieWahl – nutzt sie!“mit auf denWeg bekamen.
Kronach — Wahlen und Politiker sind ein abendfüllendes Thema. Mit der Veranstaltung „Ihr habt die Wahl – nutzt sie“ wollte der katholische Betriebsseelsorger Eckardt Schneider gegen die Politikverdrossenheit vorgehen. Und er hatte sich prominente Mitstreiter ins Boot geholt: Manfred Böhm, Leiter des Arbeitnehmerpastorals, sowie Mathias Eckardt, DGB-Regionsvorsitzender West-Oberfranken, gaben Statements ab. Keine Statements politischer Natur, sondern ganz persönliche Wahlprüfsteine, welche die anwesenden Betriebsräte zum Nachdenken und vor allem zum Wählen anregen sollten.
Enttäuschung nach der Wahl
„Ich war 1998 nach der Wahl sehr enttäuscht, denn ich wollte eine andere Politik, aber es kamen nur andere Politiker“, sagte Manfred Böhm und hatte insofern Verständnis für eine immer stärker um sich greifende Politikverdrossenheit. „Aber unser Problem ist der Neo-Liberalismus. Egal, wie man wählt, nach der Wahl lacht der Neo-Liberalismus wieder laut aus allen Löchern“, konstatierte Böhm. Deshalb solle man sich, um die richtige Partei- oder Politikerentscheidung zu treffen, immer fragen: Wem nützt das?
Vor allem im Hinblick auf die Armut gebe diese Frage ungeahnte Aufschlüsse. „Wem nützt es, dass der Mindestlohn nicht durchkommt? Wem nützt Standort-Nationalismus?“, fragte Böhm und erläuterte auch gleich, dass man Europa spalte, wenn man immer wieder behaupte, dass die Griechen faul seien und unsere Hilfe bräuchten, während wir die fleißigen Deutschen arbeiteten und Zahlungen lieferten. „Solange wir nicht begreifen, dass die Griechen, Spanier und Portugiesen gleichwertige Schwestern und Brüder sind, werden wir immer mit einer sozialen Spaltung Europas leben“, meinte Böhm. „Vielleicht sind Sie jetzt nicht schlauer, aber sicher nachdenklicher. Jede reflektierte Wahlentscheidung ist gut“, machte er allen Betriebsräten Mut, zur Wahl zu gehen. Denn egal, für welche Partei sich ein Bürger auch entscheide, wichtig sei die bewusste Entscheidung, die Überlegung. Auch Mathias Eckardt vom DGB sparte Parteipolitik aus. Doch Mindestlohn und Arbeit seien wichtig. In Europa werde schon lange nicht mehr über die Rente mit 67 gesprochen, sondern bereits über die Rente mit 70. Außerdem gebe es interne Diskussionen, dass eine Arbeitszeit von 60 Stunden erweitert werden müsse. Für die Lkw- Fahrer stünden 86 Stunden im Raum. „Und das wird dann auch auf die Ärzte ausgeweitet“, konstatierte Eckardt. Man müsse die Renten wieder so gestalten, dass ein lebenswertes Leben auch im Alter möglich sei – oberhalb der Armutsgrenze. Und zudem machte Eckardt das EU-Strategiepapier 2020 öffentlich. Darin geht es darum, die aktuell 23 Millionen arbeitslosen Menschen in der EU, dem Arbeitsmarkt zuzuführen. Es geht um Flexibilisierung der Arbeitsschutz-Bedingungen und um Kompetenzvermittlung.
Bei der Zusammenkunft im Kronacher Kloster formulierten die Betriebsräte aber auch ganz konkrete Forderungen an die Politiker. So solle sich ein Landtagsabgeordneter für den Mindestlohn stark machen. Das war der Punkt, den alle Betriebsräte einforderten. Man solle die offenen Sonntage auf zwei im Jahr begrenzen, eine aktive Struktur und Wirtschaftspolitik machen, die Ganztagsklassen ausbauen, die Mittelschulen besser fördern und für bessere Verkehrsanbindung der Region sorgen. Nordbayern dürfe nicht ausbluten, deshalb müsse es spezielle Förderprogramme gegen diese Entwicklung geben. Und auch wohnortnahe Arztversorgung, der Ausbau des Breitbandkabelnetzes und die Forderung nach mehr Finanz- und Polizeibeamten wurden thematisiert und von einigen als wichtig angesehen. Am Ende gaben alle Betriebsräte eine Wahlprognose ab – und der Sieger kann mit einem kleinen Preis rechnen. Silvia Wachter umrahmte die Wahlveranstaltung musikalisch.