Betriebsräte-Runde der Arbeitnehmerpastoral des Erzbistums Bamberg

Autonome Software bedroht Unabhängigkeit
Bei der jüngsten BetriebsräteRunde der Betriebsseelsorge des Erzbistums Bamberg informierte Welf Schröter vom Forum Soziale Technikgestaltung beim DGB Baden-Württemberg über „Die Zukunft der Arbeit – Arbeit 4.0 in der Mitbestimmung“ Er betonte, dass „Arbeit 4.0“ nicht noch mehr Laptops und Smartphones im Betrieb bedeute, sondern eine viel grundlegendere, von einem Computer autonom gesteuerte Beeinflussung von außen sei.
Die Betriebsräte hatten sich auf Einladung der Arbeitnehmerpastoral der Erzdiözese wieder mal im Bistumshaus St. Otto getroffen und diskutierten unter der Leitung von Betriebseelsorger Norbert Jungkunz. Referent des Abends war Welf Schröter.
Er betonte, dass viele gewerkschaftliche Diskussionen im Bereich Digitalisierung der realen Entwicklung 15 bis 20 Jahre hinterherhinken würden. Tablets, Laptops und Smartphones gebe es schon lange – teilweise seit 20 Jahren – und hätten nichts mit „Arbeit 4.0“ zu tun. Mit der „4.0-Kiste“ werde viel Marketing betrieben. Aber der Ausdruck „Industrie 4.0“ sei nicht exakt definiert und werde daher gerne für Werbezwecke missbraucht – als Anreiz, neue Geräte verkaufen zu können. Vieles, das in den vergangen 20 Jahren vernachlässigt wurde, werde nun als etwas Neues verkauft. Das habe aber mit „Industrie 4.0“ nichts zu tun. Mehr als 20 Jahre Digitalisierung habe drei Dimensionen der IT-Revolution hervorgebracht. Die Digitalisierung 2.0 habe das „Internet der Menschen“ gebracht – die Datenkommunikation zwischen den Menschen war vorherrschend. Dann kam die Digitalisierung 3.0 , das „Internet der Dinge“ – die Datenkommunikation zwischen Gegenständen (zum Beispiel Robotern) sei vorherrschend.
Nun aber habe schon die Digitalisierung 4.0, das „Internet der automatisierten globalen Prozesse in Echtzeit“ begonnen. Dies bedeute, dass eine Datenkommunikation zwischen verschiedenen elektronischen Prozessen vorherrschend wird. Autonome Softwaresysteme würden die Leitung des Menschen übernehmen.
Es komme zu einer Handlungsträgerschaft „autonomer Softwaresysteme“ (ASS), die den menschlichen Betrieb leite. Diese Systeme, so betonte Schröter, würden hinter dem Rücken des Menschen an dessen Stelle das Lernen, Denken, Bewerten, Verarbeiten, Kommunizieren, Entscheiden und Ausführen übernehmen.
Es kommen zu einer „übergreifenden Wertschöpfungskette“: ein Kunde löst durch das Bestellen eine Veränderung in den Betrieben aus. Die Software sucht global im Netz verschiedene Produktionskapazitäten für diese Bestellung. Das führe dazu, dass der einzelne Betrieb nicht mehr unabhängig ist und dadurch die Arbeitsplätze nicht mehr sicher sind. Das sei ein ganz anderer Gedanke von Automatisierung als etwa die Automatisierung eines Schweißroboters.
Da diese autonomen Softwaresysteme nach dem Start nicht mehr zu beeinflussen seien, müssten sie vorzeitig gestaltet werden – eine vorausschauende soziale Technikgestaltung. Das erfordere eine „Komplexitätskompetenz“. Das sei die Fähigkeit, Komplexität zu erfassen, zu reduzieren und zu kommunizieren. Menschen, die diese Kompetenz haben, müssten von den Gewerkschaften – und auch in den Betrieben – dringend gesucht werden, um diese Entwicklung beeinflussen zu können. Auch die Betriebsleiter und Betriebsinhaber sollten sich darum kümmern, damit ihr Betrieb nicht irgendwann nur noch von den autonomen Systemen gesteuert werden.
Diese digitale Transformation sei eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.Technik müsse dem Menschen dienen. Privatheit müsse geschützt werden, da sie ein wesentlicher Baustein der Demokratie sei. Auch werde eine klimagerechte Anwendungsstrategie der Digitalisierung dringend benötigt.
Wenn nicht nurinnerbetriebliche Kräfte, sondern außerbetriebliche Kräfte die Firma steuern – wo gelte dann die Mitbestimmung bei diesem entgrenzten Betrieben, fragte Welf Schröter. Da die autonomen Systeme nach ihrem Start nicht mehr lenkbar seien, müssten gewerkschaftliche Überlegungen und Arbeitnehmerschutz von Anfang an in den Algorithmus eingebaut sein.
Präventive Arbeitsgestaltung sei nötig. Vorausschauend müssten die autonomen Software-Systeme sozial gestaltet werden. Ein Schutz vor doppelter Rationalisierung zur Beschäftigungssicherung sei nötig.
Es sei nun von dem Forum Soziale Technikgestaltung, dessen Mitarbeiter ehrenamtlich arbeiten, geplant, so berichtete Schröter, ein Forum „Betriebsrats-Arbeit auf Basis autonomer Software-Systeme“ – kurz BABSSY – zu bilden, um die entsprechenden Kompetenzen zu erarbeiten und zurVerfügung zu stellen.
Nähere Infos dazu gibt es im Internet unter www.forum-soziale-technikgestaltung.de oder www.blog-zukunft-der-arbeit.de oder www.bloch-blog.de. Einen gebührenfreien elektronischen Newsletter kann man unter der E-Mail schroeter@talheimer.de beziehen.