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Betriebsräte wagen sich an Tabuthema

Seminar Hochstadt, 07.07.2011
Datum:
Veröffentlicht: 30.8.11
Von:
entschaej

Hochstadt. „Erst schauen sie lange zu, dann wollen sie ihn am liebsten kündigen“, umschreibt Betriebsseelsorger Norbert Jungkunz, den Umgang mit Suchtabhängigen im Betrieb. Alkoholkonsum am Arbeitsplatz ist in vielen Unternehmen nach wie vor aktuell. Es lohnt sich für Personalverantwortliche und Betriebsräte sich in der betrieblichen Gesundheitsförderung mit der Suchtprävention zu befassen. Den Führungskräften kommt darin eine Schlüsselfunktion zu. Ein besseres Verständnis der Suchtproblematik führt zu einem besseren Umgang mit den betroffenen Menschen. Aus diesen Gründen lud die katholische Betriebsseelsorge der Erzdiözese Bamberg in Kooperation mit dem Sozialpädagogen Ulrich Seitz, Leiter der Adaptionsphase in der Bezirksklinik Hochstadt zu dem Seminar über das Tabuthema: Sucht im Betrieb ein.

Rund 70 Arbeitnehmervertreter und Personalverantwortliche aus oberfränkischen Firmen wagten sich mit unterschiedlichen Vorerfahrungen an dieses heikle Thema und kamen in die Bezirksklinik Hochstadt, ein Therapiezentrum für Alkohol, Medikamenten- und Drogenabhängige. Vorrangig wurde über den riskanten Konsum von Alkohol gesprochen, da Alkohol in der Arbeitswelt noch immer das gebräuchlichste Suchtmittel ist. Der leitende Arzt Dr. Roland Härtel-Petri vertrieb durch seinen Vortrag über Grundlagen der Suchterkrankung die Berührungsängste der Teilnehmer und machte viele nachdenklich.

Eine wichtige Schwelle für Kollegen oder Vorgesetzte im Betrieb stellt das Erstgespräch dar. Wie spreche ich den Betroffenen an? Schnell wurde allen klar, es ist besser frühzeitig Auffälligkeiten und Verhalten anzusprechen, als weg zu sehen. Oft ist es die Angst davor dem Kollegen zu schaden, die einen abhält, das Suchtverhalten anzusprechen. Hilfreich haben sich im Betrieb klare Vorgehensweisen für den Umgang mit einem Suchtkranken erwiesen, wie sie in einer Betriebsvereinbarung zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter abgeschlossen werden können. Wer krank ist, muss nicht den Arbeitsplatz verlieren. Aber, wer nichts gegen seine Sucht unternimmt, der riskiert den Arbeitsplatz. Stephan Sartoris vom DGB Rechtsschutz in Bamberg stellte deshalb eine wirksame Betriebsvereinbarung vor und erklärte auch die arbeitsrechtliche Konsequenzen. Für Betrieb und Betroffenen ist wichtig, dass einem Stufenplan folgend, der Druck, aber auch die Hilfsangebote für den Betroffenen größer werden. Ziel einer Vereinbarung ist die Wiederherstellung der Gesundheit, die Vermeidung von Gefährdungen im Betrieb und der Erhalt des Arbeitsplatzes. Die Betroffenen erhalten Hilfestellung im Betrieb durch ausgebildete betriebliche Suchthelfer, die aus eigener Erfahrung kennen, wie sich ein Suchtkranker fühlt. Helmut Hutzler von der Firma Huhtamaki in Forchheim stellte die Aufgaben und Arbeitsweisen eines Suchthelfers vor. Entscheidende Rolle haben die Arbeitnehmervertretungen, die den Arbeitsschutz und den Gesundheitsschutz im Betrieb ernst nehmen und aus diesen Grund Sucht zum Thema im Betrieb machen, in dem sie einen Suchtbeauftragten bestimmen, Aktionen mit den Krankenkassen durchführen, Betriebsvereinbarungen abschließen, Kontakt halten zu Suchtberatungsstellen und die Ausbildung von Suchthelfern anregen. „Es gehört zu der Gesundheitskultur in einem Unternehmen, dass dieses Thema um den Menschen willen, aktiv gestaltet wird“, so Thilo Kämmerer von der IG Metall Bamberg. Der Gewerkschaftssekretär erläuterte den Arbeitnehmervertretungen die Bedeutung des Gesundheitsschutzes und die Rolle eines Suchtbeauftragten im Betriebsrat.

Abgerundet wurde das Seminar durch eine Führung durch die Klinik und Erläuterungen zu den verschiedenen Phasen des Entzuges und der Wiedereingliederung.

Übrigens: Wer einem suchtkranken Menschen eine Chance am Arbeitsplatz ermöglichen will, kann sich an den Leiter der Adaptionsphase Ulrich Seitz wenden. Für ihre Patienten sucht die Klinik für die Zeit der Adaption befristet Arbeitsplätze. Genaue Informationen unter: Ulrich Seitz Tel.: (09574) 6337-1343 Fax: (09574) 6337-68 Mail: ulrich.seitz@bezirksklinik-hochstadt.de