Betriebsseelsorge begleitet Mahnwache vor Bayreuther B.A.T.-Werk

„Es geht um die Würde arbeitender Menschen“
Stündlich erklingt der Glockenschlag. Tapfer schlägt die kleine Glocke und mahnt. „Unsere Glocke schlägt Alarm – mit Blick auf unser Wirtschaftssystem“, macht Betriebsseelsorger Eckhard Schneider deutlich. An der Seite von Gewerkschaften und den Betriebsangehörigen der British-American-Tobacco (B.A.T.) in Bayreuth, standen katholische und evangelische Seelsorger. Sie haben die Mahnwache bis zum Ende der Sozialplanverhandlungen vor dem B.A.T.-Werk begleitet.
Wenn die Verhandlungen, die voraussichtlich bis zum 31. August laufen sollen, scheitern, soll es weitere Maßnahmen und größere Protestaktionen geben.
Betroffen von den Verhandlungen sind 950 Beschäftigte im Bayreuther Werk, die in den kommenden zwei Jahren ihren Arbeitsplatz verlieren sollen (wir haben berichtet).
Ort der Mahnwache rund um die Uhr war eine mobile Bauwagenkirche der evangelischen Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (afa) aus dem oberfränkischen Marktredwitz. Neben Schneider war auch wieder Regionaldekan Josef Zerndl vor Ort und hat die Betroffenen zusammen mit dem evangelischen Dekan Hans Peetz mit einer Andacht zum Thema Solidarität unterstützt.
Neben dem stündlichen Glockenschlag gab es mittags zum Schichtwechsel „Texte der Ermutigung“, wie Eckhard Schneider erzählt. Texte, wie das Magnifikat, aber auch Texte von Berthold Brecht. „Die Arbeitnehmer brauchen Rückendeckung“, weiß Schneider, der auch dazu ermutigte eigene Texte vorzulesen. „Viele haben ihre Geschichte erzählt. Haben sich an das Positive erinnert, haben erzählt, dass die Firma ihre Familie war“.
Wichtig war Schneider vor allem die Glocke, die aufmerksam macht, bisweilen Alarm schlägt. Die den Alltag unterbricht und ihm Rhythmus gibt. „Die Glocke ruft Menschen zusammen, wirbt für Innehalten, Gebet und Gottesdienst“, wie er zur Eröffnung der Mahnwache am 24. August erläutert hatte.
Das Innehalten tut den Beschäftigten der B.A.T. gerade jetzt gut. „Es tut gut, wenn jemand da ist“, sagt einer der Betriebsangehörigen. Wenn andere ihre Solidarität bekunden. Wenn andere zeigen: das ist uns nicht egal, was hier passiert. Und es tut gut, Gesprächspartner zu haben, die sich Not und Sorgen der Betroffenen anhören, weiß Eckhard Schneider. Wie geht es jetzt weiter? Eine Frage, die nicht nur die Beschäftigten belastet, die aus Bremen oder Berlin nach Bayreuth kamen. Die dort Familien und Freunde zurückgelassen haben und aus den B.A.T.-Werken gekommen sind, die bereits dicht gemacht haben. „Bayreuth ist das letzte in Deutschland“, erklärt Schneider und macht seinem Ärger Luft. Denn nicht rote Zahlen sind der Grund für die Entlassung von 950 Menschen. Es geht alleine um den Profit.
„In welcher Arbeitswelt leben wir“, fragt der Betriebsseelsorger, der bei der Eröffnung der Mahnwache auf die Funktion der Glocke einging. „Unsere Mahnglocke wirkt wie ein Relikt aus einer anderen – nicht digitalisierten – Welt und Zeit“.
Notwendiger Einsatz
Die Mahnglocke schlage daher auch Alarm mit Blick auf unser Wirtschaftssystem. Sie erinnere uns Christen aber auch an den notwendigen Einsatz für die Schwachen, für die es gelte den Mund aufzutun. „Diese Glocke will keine Totenglocke sein, sondern Ermutigung und Mahnung für uns alle über die Tage der Sozialplanverhandlungen hinaus!“ rief Schneider den Menschen zu und verwies auf Papst Franziskus: „Diese Glocke mahnt unsere Politiker ,diese Wirtschaft tötet‘, mahnt unsere Wirtschaftsbosse ,Geld muss dienen‘, mahnt unsere Verhandlungsführer ,der Mensch steht im Mittelpunkt‘, mahnt uns als Beschäftigte ,was ist wichtig in meinem Leben?‘, mahnt uns alle ,bleib aufrecht und tu deinen Mund auf‘“.
Eine Rückbesinnung auf grundlegende Werte in der Wirtschaft hat Johannes Rehm angemahnt. Der Leiter des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt in Bayern (kda) machte deutlich, dass es für eine Wirtschaft um des Menschen willen mehr Beständigkeit und Verlässlichkeit in unserem Wirtschaftssystem brauche. Bei einem Besuch der Mahnwache bezeichnete es der evangelische Theologe als empörend, dass der Konzern aus Gewinnstreben fast 1000 Arbeitsplätze nach Osteuropa verlagern wolle. Dies bedeute nicht nur ein wirtschaftliches Problem für die Region: „Es geht gleichzeitig auch ganz grundsätzlich um die Würde arbeitender Menschen und um unser aller gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sagte Rehm dem Evangelischen Pressedienst.
Der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena hatte bei einem Treffen mit Teilnehmern der Mahnwache die Entscheidung des britischen Managements, die Zigarettenproduktion nach Osteuropa zu verlagern scharf kritisiert. „Hier geht es einzig und alleine darum, aus ganz viel Gewinn noch mehr Gewinn zu machen“. BAT habe im vergangenen Geschäftsjahr etwa 5,8 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftet, allein im laufenden Jahr 2016 bis Mai einen Gewinn von rund 2,2 Milliarden Euro, rechnete Jena vor. Die Manager in London hätten den Blick für die Menschen verloren, die in all den Jahren diese Gewinne erwirtschaftet haben.

