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Betriebsseelsorger Schneider und Betriebsratsvorsitzender Prehmus engagieren sich 25 Jahre für Kirche und Arbeitswelt

Datum:
Veröffentlicht: 3.12.10
Von:
Heinrichsblatt Stephan Tiroch

Der freie Sonntag wird auf dem Altar des Profits geopfert

Seit 25 Jahren pflegt die katholische Kirche intensiv das Gespräch mit den Arbeitnehmern in Kulmbach. Von Anfang an dabei waren Betriebsseelsorger Eckhard Schneider (53) sowie Hans-Georg Prehmus (58), Betriebsratsvorsitzender der Kulmbacher Brauerei. Im Interview betonen beide, dass Kirche und Gewerkschaften das gleiche Ziel verfolgen: sich für die kleinen Leute einzusetzen.

Wie ging es damals los?

Schneider: Die Idee kam aus Bamberg von der Bistumsleitung. Ich war seinerzeit Pastoralassistent in St. Hedwig und bekam den Bereich Kirche und Arbeitswelt zugewiesen. Kulmbach war eine klassische Arbeiterstadt mit einem Großbetrieb wie die Spinnerei mit 2000 Beschäftigten, und die Kirche wollte das Leben der kleinen Leute besser kennenlernen und verstehen. Ich habe Kontakte mit Betriebsräten und Gewerkschaften geknüpft und hatte im September 1985 mein erstes Gespräch in der Reichelbräu – mit Hans-Georg Prehmus, der Interesse zeigte, zuzuhören und mitzuteilen.

Prehmus: Ich habe es gut gefunden, dass sich die Kirche in der Arbeitswelt engagiert. Ich stamme aus einem katholischen Elternhaus und bin der Meinung, dass Kirche und Gewerkschaften unterm Strich das gleiche Ziel verfolgen, nämlich sich für die kleinen Leute einzusetzen.

Was waren die Arbeitsschwerpunkte?

Schneider: Unser Projekt hat sich rasch entwickelt. Wir beide haben gleichgesinnte Männer und Frauen um uns geschart und auf Stadtebene einen Sachausschuss Berufsund Arbeitswelt gegründet. Es sollte ein Austausch stattfinden, wir wollten Pfarrer für Themen aus der Arbeitswelt sensibilisieren und Betriebsräte für kirchliche und sozialethische Themen interessieren. Was uns durchgehend begleitet ist das Thema des arbeitsfreien Sonntags, der mittlerweile leider sturmreif geschossen wurde durch die Verkaufssonntage und die fast durchgängig regelmäßige Sonntagsarbeit in allen Branchen.

Prehmus: Der Sonntag wird vielfach auf dem Altar des Profites geopfert. Für Betriebsräte ist es unheimlich schwierig, sich hier zu entscheiden. Die Unternehmen argumentieren mit Arbeitsplatz - sicherheit, auf der anderen Seite sehen wir, wie vieles in den Familien auf der Strecke bleibt.

Wie ging es dann weiter?

Schneider: Die Gewerkschaften, die die Roten waren und Massen mobilisieren konnten, haben mit uns, die wir als die Schwarzen galten, die Zusammenarbeit gesucht. Man hat erkannt, dass wir viele gemeinsame Interessen haben. Dabei waren solche Multiplikatoren wie Hans-Georg Prehmus oder der damaliger DGB-Kreisvorsitzende Günter Voit, die mir viele Brücken gebaut haben, sehr hilfreich. Ab 1988 wurde die feste Stelle als katholischer Betriebsseelsorger in Kulmbach geschaffen, weil man gesehen hat, dass die Arbeit angenommen und gebraucht wurde.

Lief immer alles reibungslos?

Schneider: Nein, es hat öfters mal Auseinandersetzungen mit Arbeitgebern gegeben oder mit konservativen Kirchenleuten, für die ein Weltbild zusammengebrochen ist, weil die Fronten aufgebrochen worden sind. Mancher Unternehmer hat sich beim Bischof massiv beschwert und versucht, Einfluss zu nehmen, um mich abzuberufen.

Aber ich hatte immer die Rückendeckung meiner Vorgesetzten, von den Dekanen Markus Brendel oder Hans Roppelt und von der Bistumsleitung.

Prehmus: Wir haben ihn auch unterstützt und dem Bischof erklärt, dass es wichtig ist, einen Betriebsseelsorger in Kulmbach zu haben.

Was hat sich in den 25 Jahren verändert?

Schneider: Positiv ist, dass die Bischöfe heute wie selbstverständlich zur Betriebsratswahl einen Aufruf herausgeben oder dass ein Kirchenvertreter ein Referat am 1. Mai hält und Beifall bekommt – das hätte es vorher nie gegeben. Leider ist die Zeit für Einzelgespräche, für Einzelseelsorge immer knapper geworden. Am Leben der Menschen habe ich früher stärker teilnehmen können, in der Kantine von Hensel & Mortensen oder bei der Reichelbräu. Diese familiäre Atmosphäre ist verlorengegangen, auch weil in der Arbeitswelt eine Leistungsverdichtung stattgefunden hat. Dafür treffe ich mich regelmäßig mit Betriebsräten und Gewerkschaften. Teamentwicklung und Konfliktmoderation sind Schwerpunkte.

Prehmus: Die Arbeitswelt hat sich grundlegend verändert. Früher gab es ein größeres Miteinander der Kollegen. Heute machen die Leute zwar auch professionell ihre Arbeit, aber Zusammenhalt und Solidarität gehen immer mehr verloren – vor allem unter dem Druck der Leistungsgesellschaft, in der keine Zeit mehr ist für den Schafkopf und das Seidla Bier nach der Schicht. Die Leute sind ausgepresst und wollen bloß noch nach Hause.

Was waren Höhepunkte Ihrer Tätigkeit?

Schneider: Zu dem Projekt „Kirche im Betrieb“, das vor neun Jahren bundesweit gelaufen ist, fiel der Startschuss in Kulmbach. Das war eine große Anerkennung. Aber meistens sehe ich bei meiner Arbeit nicht sofort einen Erfolg. Doch das Beispiel der Firma Raps, wo sich der Betriebsrat mit der Belegschaft erfolgreich gegen Stellenabbau gewehrt hat, und die ich in der schwierigen Situation begleitet habe, war eine Ermutigung für alle, auch für andere Betriebsräte und Arbeitnehmer.

Hat der eine etwas vom anderen gelernt?

Schneider: Was juckt es eine deutsche Eiche, wenn sich eine Wildsau an ihr reibt – das ist Hans-Georgs Standardsatz, mit dem er mich zur Gelassenheit ermutigt, wenn man mich anpisst.

Prehmus: Ich habe mir von ihm abgeschaut, wie man mit Menschen umgeht und wie man Gremien führt.

Gibt es Wünsche für die Zukunft?

Prehmus: Dass die Leute wieder solidarischer werden, weil darin die einzige Möglichkeit besteht, ihre Interessen durchzusetzen.

Schneider: Ich wünsche mir, dass ich nicht nur ein kirchliches Feigenblatt bin, sondern dass sich Kirche und Pfarreien den Sorgen und Nöten der Menschen vor Ort noch weiter öffnen.

Das Interview führte Stephan Tiroch