Bundessozialgericht zur Übernahme von Beiträgen privat krankenversicherter Hartz IV-Bezieher
Seit dem 1. Januar 2009 waren all diejenigen Bezieher von ALG II in einer sehr mißlichen Lage, die vor dem Leistungsbezug privat versichert waren, häufig ehemalige Selbständige. Denn durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung waren sie nicht mehr durch den Bezug von Alg II automatisch Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Stattdessen hatten sie die Pflicht zur Aufrechterhaltung bzw. zum Abschluss einer Krankenversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Im Gegenzug hatte der Gesetzgeber die privaten Krankenversicherungen verpflichtet, einen branchenweit einheitlichen Basistarif anzubieten, dessen Vertragsleistungen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar seien. Für Hilfebedürftige musste der Beitrag für den Basistarif zunächst um die Hälfte vermindert werden. Die Arge – das jetzige Jobcenter - zahlt jedoch nur den Betrag, der auch für einen Bezieher von Alg II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist (§ 26 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB II iVm § 12 Abs 1c Satz 4 - 6 VAG). Da der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung jedoch deutlich günstiger ist ergibt sich eine zum Teil erhebliche Differenz, die die betroffenen Alg II-Empfänger nicht aus ihrem Alg II bestreiten können.
Im zu entscheidenden Fall (AZ: B 4 AS 108/10 R) hatte ein selbständiger Rechtsanwalt als privat Krankenversicherter einen Beitrag für seine private Krankenversicherung in Höhe von 207,39 Euro monatlich zu tragen, das Jobcenter bewilligte nur eines Zuschuss zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 129,54 Euro monatlich. Das Landessozialgericht war davon ausgegangen, dass der Rechtsanwalt die Übernahme seiner Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe in verfassungskonformer Auslegung des § 26 Abs 2 SGB II beanspruchen könne.
Das Bundessozialgericht hat nun am 18.1.2011 entschieden, dass eine gesetzesimmanente Regelungslücke bestehe, denn eine ausdrückliche Vorschrift, wie denn der offene Beitragsanteil auszugleichen sei, finde sich im SGB II nicht. Der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Jobcenter) hat daher die Beiträge zur privaten Krankenversicherung in voller Höhe zu übernehmen.
Entscheidend für das Bundessozialgerichts war auch, dass das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum privat versicherter SGB II-Leistungsempfänger nicht mehr gesichert sei, wenn die von ihnen geschuldeten Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht vom Träger der Grundsicherung übernommen würden.
Die planwidrige Regelungslücke bei der Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung sei daher durch eine analoge Anwendung der Regelung für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen zu schließen.
Die Zusammenfassung des Urteils kann unter http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/list.py?Gericht=bsg&Art=ps nachgelesen werden.
Betroffene Leistungsempfänger können nun also Widersprüche gegen ablehnende Entscheidungen auf Übernahme der vollen Kosten der privaten Krankenversicherung und auch private Pflegeversicherung unter Hinweis auf das obige Urteil einlegen. Sind die Bescheide schon bestandskräftig ist möglicherweise ein Überprüfungsantrag nach dem SGB X zu stellen.
Weitere Informationen erteilt die Ökumenische Arbeitsloseninitiative Die Insel unter 09162/75 77.