"Das Mittragen des Kreuzes tut gut"

Gemeinschaftsaktion von Honer-Betriebsrat und Katholischer Betriebsseelsorge in St. Martin
Vor dem Haupteingang des Kaufhauses Honer am Maxplatz sammeln sich in der Abenddämmerung, kurz nach Ladenschluss, Menschen um ein Kreuz. Es sind größtenteils Kaufhausangestellte, vor allem Frauen. Mit dabei stehen auch einige Männer, darunter Dr. Manfred Böhm von der katholischen Betriebsseelsorge. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, steht in großen Lettern auf dem Holzkreuz, das die dunkelhaarige Gerlinde Götz, seit 40 Jahre Verkäuferin im Kaufhaus Honer, in ihren Händen hält. Es ist die verzweifelte Hoffnung auf den Erhalt ihres Arbeitsplatzes trotz der geplanten Kaufhausschließung, der sie zu Aktionen wie dieser antreibt. „Ich bin seit 1971 bei Honer. Ich habe hier gelernt“, sagt die Verkäuferin kurz nach Ladenschluss ruhig. „Ich bin seit 33 Jahren dabei“, erklärt neben ihr Kollegin Helga Krug. „Kampflos wollen wir nicht aufgeben!“ Die Frauen verteilen unter den Anwesenden 50 brennende Lichter. Dann setzt sich der Lichterzug mit dem Kreuz an der Spitze in Bewegung. Das Ziel ist die Martinskirche.
Kampf um Jobs
Seit Monaten schon kämpfen die Beschäftigten des privaten Kaufhauses Honer am Maxplatz gegen die bevorstehende Schließung des Bamberger Traditionsgeschäfts. Im Sommer beabsichtigt Inhaber Franz-Joseph Honer den Familienbetrieb nach über 80 Jahren zu schließen, da er nicht mehr rentabel sei. Er will die Immobilie in bester Lage vermieten. Rund 80 überwiegend weibliche Mitarbeiter, davon 60 Festangestellte, bangen seither um ihren Arbeitsplatz. Sie möchten gerne vom Nachmieter übernommen werden. Doch Belegschaft und Betriebsrat resignieren nicht einfach. Ideenreich kämpfen sie um ihren Arbeitsplatz. Dabei erfahren sie Hilfe von verschiedenen Seiten. Da sind viele Kunden, die sich von der Schließung betroffen zeigen und nachfragen, wie sie helfen können. Da ist die Gewerkschaft Verdi, die Sozialplanverhandlungen mit dem Inhaber sucht und eine Transfergesellschaft für Honer als sozialverträgliche Lösung vorschlägt. Bislang ohne Erfolg. Horst Margner, Gewerkschaftssekretär von Verdi Oberfranken, vermisst Bereitschaft des Arbeitgebers: „Die Beschäftigtenhaben jahrzehntelang dem Betrieb die Treue gehalten. Jetzt werden sie abserviert. Es gibt Verantwortung für Mitarbeiter, ein soziales Gewissen. Wenn überhaupt nichts geht, das ist traurig!“.
Kreuzwegandacht
Weitere seelische Unterstützung erbaten sich die Betroffenen von der katholischen Betriebsseelsorge. So luden Betriebsrat und Beschäftigte zusammen mit Dr. Manfred Böhm und Norbert Jungkunz zu einer Kreuzwegandacht in die St. Martinskirche ein. Dort angekommen legten die Mitarbeiterinnen ihr Kreuz ab und stellten die bunten Lichter daneben auf den Kirchenboden.
„Leben unter Hoffen und Bangen. Wer hält das auf Dauer aus?“, fragte Dr. Manfred Böhm in St. Martin. Zusammen mit Norbert Jungkunz, dem Betriebsrat und einigen Mitarbeiterinnen des Kaufhauses Honer hatte man zu der Kreuzwegandacht eingeladen, um die Sorgen und Nöte der Beschäftigten angesichts der bevorstehenden Kaufhausschließung ins Gebet zu nehmen, ihren schweren seelischen Belastungen in dieser Zeit Raum zu geben. In vier ausgewählten Stationen gedachten die Anwesenden des Kreuzwegs Jesu, den dieser vor 2000 Jahren gegangen war.
„Wer um seinen Arbeitsplatz gebracht wird, der fühlt sich in seinem Innersten erschüttert, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird und er ins Bodenlose stürzt. Vergleichbar ist diese Erfahrung mit dem Verlust eines lieben Menschen, etwa durch Trennung oder Tod“, so N. Jungkunz. Die Arbeitnehmerpastoral unterstützte damit die Idee des Betriebsrats, eine Andacht für alle anzubieten, um aus dem Gebet heraus neu Kraft im Einsatz für den Erhalt ihrer Arbeitsplätz zu finden. „Das Mittragen des Kreuzes durch andere, durch Kunden, Betriebsrat, Kollegen und ehemalige Kollegen, Wirtschaftsberater, Anwalt, Freunde und Familie tut gut“, erklärte Norbert Jungkunz von der Betriebsseelsorge. Auch ehemalige Kolleginnen sowie Maria Geyer, die Schwester des Inhabers, war mit ihrem Gatten erschienen, um ein Zeichen der Solidarität mit den Beschäftigten zu setzen.
Postkartenaktion
Bereits seit einigen Wochen läuft eine originelle Postkartenaktion, die von Verdi Oberfranken-West gesponsert wird. Die Vorderseite zeigt ein Foto von Honer-Beschäftigten vor dem Kaufhaus mit einer Banderole in der Hand: „Wir, die Honer-Beschäftigten suchen neuen Chef.“ Adressiert ist die Postkarte an das Kaufhaus Honer. Mit ihrer Unterschrift erinnern die Kunden Franz-Joseph Honer an seine soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, nämlich bei potentiellen Mietern auf die Übernahme des Personals zu drängen. Bereits über 670 Karten wurden schon unterschrieben, so Betriebsratsvorsitzende Elke Weidner. Die Bereitschaft zum Helfen ist groß, denn viele ältere Leute, die kommen, wissen nicht, wo sie nächstes Jahr ihre Sachen kaufen können.
