Erzbischof Dr. Ludwig Schick besuchte Gerresheimer Tettau

Einblick in die Welt der Glasproduktion

Tettau-Alexanderhütte - „Finger weg, sonst ist der Finger weg!“ - Die Glasproduktion arbeitet mit „unvorstellbaren“ 1.500 Grad Celsius, als Erzbischof Dr. Ludwig Schick in der Gerresheimer Glashütte in Tettau-Alexanderhütte davon einen Live-Einblick gewinnt. Ausgestattet mit Schutzmantel, Sicherheitsschuhen sowie Ohrenstöpseln verfolgt der Bamberger Oberhirte, wie aus Sand, Kalk und Soda die unterschiedlichsten Glasflakons entstehen. An den Grundkomponenten der die Region so prägenden Industrie hat sich in all den Jahren nichts geändert; wohl aber am Technologisierungsgrad.
„Das ist sehr beeindruckend“, lobte der Erzbischof nach der Betriebsführung durch dem technischen Leiter Kay Rohn und Personalchef Lars Holocher, die aufgrund der Corona-Pandemie in stark abgespeckter Form erfolgen musste. In einer Präsentation hatte zuvor Werkleiter Bernd Hörauf dem Bamberger Oberhirten sowie dem Dekan des Dekanats Kronach, Detlef Pötzl, als auch dem Leiter Dr. Manfred Böhm und dem Betriebsseelsorger Eckhard-Joey Schneider der Arbeitnehmerpastoral - das dem Düsseldorfer Gerresheimer-Konzern mit 40 Produktionsstätten weltweit zugehörige Werk vorgestellt. Rund 620 Beschäftigte, inklusive Leiharbeiter, stellen in Tettau an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr hochwertige Glasverpackungen insbesondere für Parfüm und Körperpflegeprodukte internationaler Kunden her. „Glasmacher ist weiter mehr als eine Berufsbezeichnung, mehr als ein Job“, schwärmte der Werkleiter, der sich nach 37 Jahren Betriebszugehörigkeit, davon 18 Jahre als Geschäftsführer, offensichtlich noch immer fasziniert vom „eigentlich fast unmöglich zu gestaltenden“ Material Glas zeigt. Gleichzeitig räumte er ein, dass der Beruf - trotz der „faszinierenden Umgebung“ - nichts für jedermann ist.
In die „Magie“ mischen sich aber auch Probleme, Herausforderungen und Nöte. „Leider wird die deutsche Glasindustrie unterschätzt“, bedauerte der Glasmacher. Rund 54.000 Menschen sind in Deutschland in dieser Branche beschäftigt. Alleine im Landkreis Kronach seien direkt oder indirekt zwischen 4.000 und 5.000 Arbeitsplätze betroffen. Die in der Rennsteigregion ansässigen Glasunternehmen seien Marktführer in Technologie sowie Umweltmanagement. Als energieintensive Industrie seien vor allem funktionierende Stromnetze sowie Energiepreise von größter Bedeutung. „Heinz-Glas, Wiegand und wir brauchen so viel Strom wie die Städte Bamberg und Bayreuth zusammen“, verdeutlichte der Diplom-Betriebswirt. Die Auswirkungen mancher politischer Entscheidungen hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Firmen mit anderen Ländern mit anderen Lohnkosten und Umweltauflagen würden seitens der Regierung nicht immer ausreichend bedacht. Die Gerresheimer Exportquote liegt nominal bei 70 %, eigentlich sogar bei 90 %, rechnet man einen Großkunden dazu, der noch im Inland abfülle. Die Glasindustrie sei hochinvestiv aufgestellt. Von den täglich in Tettau angefertigten zwischen 2,3 Millionen und 2,5 Millionen Einheiten gehen 1,5 Millionen an den gleichen Kunden.
Nach der Betriebsbesichtigung fand ein abschließendes Gespräch statt, woran weitere Verantwortliche von Gerresheimer, darunter auch Betriebsratsvorsitzender Daniel Raab, teilnahmen. Interessiert erkundigte sich der Erzbischof nach der Mitarbeiterstruktur des Tettauer Werks, wo auch rund 30 Auszubildende in technischen wie kaufmännischen Berufsfeldern tätig sind. Auch das Duale Studium boomt. „Es handelt sich dabei um sichere Arbeitsplätze“ betonte der Personalchef. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit beträgt gut 15 Jahre - und das, obwohl man in den letzten drei Jahren 80 neue Arbeitsplätze geschaffen habe. Insgesamt arbeiten hier Menschen aus 14 Nationalitäten Hand in Hand, ohne die der Bedarf auch nicht zu decken wäre. Diese könnten hier gutes Geld - übertariflich - verdienen; müssten dafür aber auch viel leisten. Hier denke er gerade auch an die zahlreich beschäftigten Türkischstämmigen- viele davon gläubige Moslems, die zu Ramadan ohne Essen und Trinken über Stunden an den heißen Maschinen und bei Lärm arbeiteten. Eine Lüftungsanlage drücke die Temperatur von 48 auf 38 Grad Celsius.
Betriebsseelsorger Eckhard-Joey Schneider fragte nach den größten Sorgen der Mitarbeiter. „Vor Kurzem hat es bei uns gebrannt. Unsere Arbeiter standen da mit Tränen in den Augen. Sie hatten Angst um die Hütte, ihren Arbeitsplatz, ihre Existenz“, verdeutlichte Bernd Hörauf. Die Polizei habe im Umfeld nach Indikatoren für eine eventuelle Brandstiftung gesucht, beispielsweise aufgrund erfolgter Kündigungen. Aber es gebe keine Kündigungen. Dem kann sich Betriebsratsvorsitzender Daniel Raab, in dessen Familie mehrere Generationen bei Gerresheimer arbeiten, nur anschließen: „Wer einmal da war, der bleibt gerne.“ Zugleich hob er auch die gute Zusammenarbeit zwischen Werksleitung und Betriebsrat hervor, müsse man sich doch auch nach schwierigen Verhandlungen noch in die Augen schauen können. Raab hatte auch eine süße Überraschung für den Erzbischof in petto; hatte doch sein Großvater eigens eine Erdbeertorte, verziert mit einem Symbol und einem Leitspruch der Glasmacher, gebacken.
Ein Angstthema sei - so der Geschäftsführer - natürlich auch Corona. Da man top aufgestellt sei, komme man aktuell gut durch die Krise. Die Maschinen arbeiteten von Anfang an weiter, da man zu den systemrelevanten Branchen zähle. Kurzarbeit gebe es bislang nicht. Was in drei, vier Jahren sei, wisse aber niemand. Natürlich könne man nie alle 600 Beschäftigten glücklich machen. Aber man habe beispielsweise auch bei der Finanzkrise 2008/ 2009 Weihnachtsgeld gezahlt im Gegensatz zu 80 Prozent der anderen Betriebe. Im vergangenen Jahr habe jeder Mitarbeiter 580 Euro zusätzliche Prämie erhalten und heuer zu Ostern Wertgutscheine über 80 Euro, mit denen sie in der Rennsteigregion einkaufen können. Zudem zeige man Ziele, Probleme, Vorhaben und Investitionen transparent auf. „Wir legen die Karten offen“, betonte er.
Der Erzbischof fragte, ob man überlege, die teuer erkaufte Energie regenerativ selbst zu produzieren. Dies sei, so Bernd Hörauf, aufgrund des immensen Bedarfs unmöglich. Zudem brauche man immer Strom, auch nachts und wenn keine Sonne scheint. Abschließend versicherte Dr. Ludwig Schick, viele neue Eindrücke von dem Tag mitzunehmen. Gerne unternehme er Betriebsbesichtigungen, weil es ihm wichtig sei, dass es den Menschen und Betrieben gut gehe. Dabei liege im gerade der Frankenwald sehr am Herzen: „Gut, dass sie da sind. Ich bete, dass sie da bleiben!“