Erzbischof Dr. Ludwig Schick traf sich mit Betriebsräten zum gemeinsamen Gespräch

„Mehr in Personen als in Sachen investieren“
Wie jedes Jahr traf sich auch heuer Erzbischof Dr. Ludwig Schick mit rund 30 Betriebsräten verschiedener Branchen aus dem ganzen Erzbistum zu einer Gesprächsrunde im Bistumshaus St. Otto, das die Betriebsseelsorge organisierte. Moderator war Eckhard Schneider, Betriebsseelsorge Kronach.
Zuerst gab es drei Statements aus verschiedenen Bereichen. Angela Gantke, Betriebsratsvorsitzende des Real in Kulmbach, berichtete, dass in ihrem Betrieb 100 Menschen beschäftigt seien – davon 75 in Teilzeit und 25 in Vollzeit. 78 Stunden in der Woche sei der Verkausfmarkt geöffnet. Mit Vor- und Nacharbeiten ziehe sich die Arbeitszeit von 5 bis 21 Uhr hin. Für den Einzelnen gebe es keine im voraus festgelegte Arbeitszeit. Man müsse immer per Handy erreichbar sein – auch in den Pausen und auf der Toilette. Arbeitspläne würden kurzfristig und ohne Garantie aufgestellt und würden ohne Absprache auch geändert. Dass der Urlaub und Arzttermine kurzfristig verschoben werden, sei leider selbstverständlich. Familiäre Termine würden nicht berücksichtigt. Selbst an Sonn- und Feiertagen müsse man zur Verfügung stehen. Gantkes Hauptwünsche waren: Keine verkausfoffenen Sonn- und Feiertage, eine bessere Arbeitsorganisation sowie das Reduzieren der physischen und psychischen Belastungen.
Michael Obenauf, Personalrat des Bezirksklinikums Erlangen, berichtete, dass durch die Tarifflucht der Krankenhäuser, durch deren Privatisierungen und durch den extremen Abbau des Pflegepersonals, die Gesundheit zur Ware geworden sei. Es gebe keinen Patienten, der Hilfe braucht, mehr, sondern es werde nur noch von dem „Kunden“, der etwas kaufen will, geredet. Bundesweit würden im Pflegebereich 160 000 Stellen fehlen. Ein „Zeitfresser“ für das Personal sei auch die Fall-Dokumentation bis ins Kleinste. Obenauf betonte, dass die Krankenhäuser unbedingt in die kommunale Trägerschaft gehören. Er richtete die Bitte an den Erzbischof: „Bitte sorgen sie für unsere Betriebsseelsorge, die viel leistet, und für das Bildungshaus in Obertrubach, das wichtig für unsere Arbeit ist“.
Josef Morgenroth, Betriebsratsvorsitzender bei Michelin in Hallstadt, berichtete, dass in seinem Betrieb die psychische Belastung durch Leistungsdruck und ständige Verfügbarkeit, auch in der Freizeit, gestiegen sei – durch den globalen Wettbewerb und vor allem durch den Wettbewerb der einzelnen Betriebe innerhalb des Weltkonzernes. Das Ranking der einzelnen Standorte werde im ganzen Konzern bekannt gemacht. Die Personalkosten und deren Entwicklung würden weltweit verglichen. Die Maschinen sollten am besten „durcharbeiten“ und so sei Sonntagsarbeit schon seit zehn Jahren leider eine Selbstverstänlichkeit. Aufträge gingen an den Standort, der am günstigsten produziert und mit dem die höchsten Gewinne gemacht werden können. Die Betriebsräte kämen so in einen Interessenskonflikt: einerseits die Arbeit humaner zu gestalten und andererseits die Arbeitsplätze unter dem Vergleichsdruck zu erhalten. Außerdem müsse gegen Werksverträge und Leiharbeit mehr angegangen werden.
Erzbischof Dr. Ludwig Schick betonte, dass ihm diese Begegnungen mit den Betriebsräten wichtig seien, da er hören wolle, wie es den Arbeitnehmern in den Betrieben geht. Er selber sei ja als Erzbischof Arbeitgeber von rund 10000 „Köpfen“ in 6500 Vollarbeitsstellen. Wichtig im Arbeitsleben sei ein Dreiklang aus guter Arbeit in gutem Betriebsklima, guter Lohn und sinnvolles Miteinander-Reden. Die Erzdiözese sei schon dreimal für ihre familienfreundliche Arbeitswelt augszeichnet worden.
„Mir selber und der Kirche ist das Zentralwort Jesu wichtig, dass er gekommen ist, um uns das Leben zu bringen – und zwar das Leben in Fülle“, betonte Schick. Diese Fülle des Lebens müsse immer wieder mit allen diskutiert werden. „Wir werden nicht das Paradies auf Erden bekommen, aber im guten Dialog das Bestmögliche erreichen. Außerdem müssen wir nicht das Herrschaftswissen sondern das Heilswissen fördern. Wenn die Entwicklung in den Betrieben so weiter geht, wird vielleicht kurzfristig eine Leistungssteigerung erreicht – langfristig machen wir uns aber kaputt.“
Der Erzbischof erklärte auch, dass ein katholischer Unternehmer moralisch anders handeln sollte, als derzeit sonst gehandelt wird. Derzeit sei die Tendenz, dass die Belegschaft immer mehr das unternehmerische Risiko tragen soll. Die Moral in der Arbeitswelt sei nicht in die Beliebigkeit des Einzelnen gestellt. Ein humanes Leben sei ein moralisches Leben – das müsse für alle gelten. Leider sei aber eine Entsolidarisierung auf allen Ebenen – egal ob oben oder unten – zu beobachten. Sowohl die vertikalen als auch die horizontalen Solidaritätspakte würden nicht mehr funktionieren, bedauerte Schick. Diese Solidarisierung solle man mit allen Mitteln fördern – auch durch gesetzliche Veränderungen.
Um diese Solidarität zu fördern, sei es auch Aufgabe der Betriebsräte, Kommunikationsverbesserer zu sein – sowohl zwischen den Arbeitnehmern als auch zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Durch eine Entschleunigung der Arbeitswelt würde es mehr Zeit geben, um miteinander zu reden. Man solle auch mehr in Personen als in Sachen investieren, forderte der Bamberger Erzbischof.
Quelle: Heinrichsblatt, Nr. 27, 6. Juli 2014