Erzbischof Schick traf sich mit Gewerkschaftsvertretern aus dem Gebiet der Erzdiözese Bamberg

"Mit Sorge blicke ich auch die deutsche Gesellschaft"
Im Bistumshaus St. Otto in Bamberg trafen sich Vertreter von DGB, IG Metall, IG BAU, Ver.di und der Kirchen aus dem Gebiet der Erzdiözese Bamberg, um sich über das Thema "Integration durch Arbeit" auszutauschen.
Norbert Jungkunz von der Bamberger Betriebsseelsorge steckte in seiner Eröffnung den Rahmen, in dem an diesem Tag über die Integration diskutiert werden sollte, ab. Dabei ging es grundlegend um eine Verbindung von Kirche und Gewerkschaft, abseits der staatliche Politik. „Was können die beiden Institutionen zum Thema beitragen?“, fragte er in die Runde, „Was ist Integration überhaupt?“ Anhand des lateinischen Ausgangsbegriff „integrare“ führte er die Bedeutungen des Wortes auf. „Integrare“ bedeute zusammenbringen und dabei vornehmlich das Zusammenbringen von Menschen. Für die Gesellschaft heißt Integration „nach oben holen, was unten ist, was an der Seite ist, in die Mitte nehmen und Verlorenes wiederfinden.“ Integration sei ein Recht des Menschen in der Gesellschaft. „Wir brauchen einen Geist, der alle zusammenführt, gerade jetzt vor Pfingsten.“
Auf diese Eröffnung folgten drei kurze Reden der Gewerkschaftsvertreter.
Reiner Gehring von der IG BAU wies darauf hin, dass Integration nicht grundsätzlich mit der Herkunft zu tun habe, sondern mit der wirtschaftlichen Ausgangslage, in der sich eine arbeitsuchende Person befinde. Dass Menschen mit Migrationshintergrund leider finanziell oder auch die Ausbildung betreffend schlechter dastünden, als deutsche Arbeitskräfte, sei ein Fakt. Er verwehre sich aber gegen den Vorwurf, die IG BAU oder andere Gewerkschaftzweige seien ausländerfeindlich. Menschen mit schlechtere Ausbildung werden tatsächlich weniger oft in den Arbeitsmarkt integriert, aber das hänge nicht mit ihrer Herkunft, sondern eben nur mit ihren mangelnden Qualifikationen zusammen. „Wir versuchen Qualifikationsmöglichkeiten zu schaffen, aber die Integration in den Arbeitsmarkt ist leider derzeit schwer.“
Dann sprach Gottfried Schneider von der IG Metall Bamberg. Er prangerte an, dass auf dem neoliberalen Arbeitsmarkt alles von Angebot und Nachfrage bestimmt sei und dafür Prozesse wie die Integration geopfert würden oder gar ganz dahinter verschwänden. Den vorher angesprochenen Problemen bei der Integration ausländischer Arbeiter stellte Schneider die gleichen Probleme bei der Beschäftigung älterer Personen an die Seite. Diese bräuchten oft Weiterbildungsmaßnahmen, um auf dem heutigen Arbeitsmarkt mithalten zu können, aber diese seien natürlich nicht billig. Und solange immer nur nach den billigsten, aber nach Möglichkeit auch qualifizierten Kräften gesucht wird, haben „50 Plus“ Bewerber nur geringe Chancen auf eine Stelle. Auch in diesem Zusammenhang müsse etwas unternommen werden.
Manfred Böhm , der Leiter der diözesenan Arbeitnehmerpastoral, stellte danach die Frage, ob die Integration von Arbeitslosen heute überhaupt noch ein Thema sei? „Bei den geringen Arbeitslosenzahlen und dem Wirtschaftswachstum scheint es etwas unter den Tisch gefallen zu sein.“ Verschwunden sei es darum aber nicht. Ein Grundsatz der katholischen Soziallehre bestehe darin, dass der Mensch ein Recht auf Arbeit habe. Aber der Markt könne die Beschäftigung nicht alleine regeln. Der Staat sei hierbei auch gefragt und müsse Perspektiven und Arbeitsplätze schaffen. „Es muss also darum gehen, Qualifizierung zu fördern, durch staatliches Eingreifen.“ Außerdem sei die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns vonnöten.
Erzbischof Dr. Ludwig Schick stellte die Frage: „Wie soll das weitergehen?“ Mit beinahe an Hoffnungslosigkeit grenzender Sorge betrachte er in diesen Tagen die deutsche Gesellschaft.
„Man hört immer wieder die gleichen Reden, auch hier und heute. Wir brauchen Mindestlöhne, müssen uns um die Integration von Älteren und Ausländern kümmern und auch ein besserer Umgang mit Hartz IV ist nötig. Gott sei dank wird drüber gesprochen, aber es geht nicht schnell genug voran.“ Die Gesellschaft habe fast einen Stillstand erreicht. Sie sei zu wenig integriert - nicht nur hierzulande, sondern europaweit.
„Die Probleme, die heute hier angesprochen werden, sind auch bei den letzten Treffen schon angesprochen worden, aber sie sind noch da.“ Darum stelle sich doch die Frage: „Wollen wir überhaupt Integration? Und was heißt überhaupt wollen?“ Der Erzbischof erklärte es. „Wollen, das heißt zuerst einmal erkennen, dass etwas wichtig und änderungsbedürftig ist. Dann braucht man aber auch den Willen zur Änderung.“ Damit aber noch nicht genug. Erst die Zusammenführung von Einsicht und Willen in Aktion und Handeln mache den Änderungsprozess vollständig. „Es wird einfach nicht genügend gehandelt, die gesamtgesellschaftliche Haltung zu diesem Punkt muss vorangetrieben werden.“
Die Gewerkschaften müssten ehrlicherweise anerkennen, dass die Gesellschaft oft zu unwillig zum Handeln, beispielsweise zum integrativen Handeln, sei. „Alle denken immer in eigene Sparten, von oben nach unten und jeder für sich.“
Das Gesamtkonzept müsse im Auge behalten werden. Als Beispiel nannte Schick die Pläne der Bundesregierung, Stromleitungen vom Norden des Landes in den Süden zu verlegen. Diesen Plan fänden zwar viele Menschen gut, sie seien auch gut für die gesamte Gesellschaft, aber nur so lange die Stromleitungen nicht durch den eigenen Garten verliefen.
„Es kommt einfach darauf an, den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren. Wir brauchen Visionen des Ganzen.“ Dabei könnten Kirche und Gewerkschaften in gutem Beispiel vorangehen. Vor allem christliche Kardinalstugenden wie Gerechtigkeit, Besonnenheit und Bescheidenheit könnten als Vorbild zu richtigem Denken und vor allem zu richtigem Handeln dienen.
Alles in allem habe zwar auch er als Erzbischof keine konkreten Lösungen für die Probleme der Integration, diese müssten von Politik und auch von Gewerkschaften gefunden werden, „aber wir brauchen Visionen einer gemeinschaftlichen Gesellschaft. Global denken, regional handeln.“ Ein ganzheitliches Denken sei nötig, das individuell anwendbar ist. Jene Tugenden könnten dabei helfen, die Probleme der heutigen Zeit, auch die der Integration, realistisch zu sehen und zu formulieren und so den Visionen näherzukommen.
Erzbischof Schick betonte: „Die Gewerkschaften spielen eine gute Rolle dabei, aber es muss gehandelt werden.“