Erzbischof im AEG-Elektrolux-Werk in Rothenburg

Arbeit ist wichtig
Ein Plädoyer für die Notwendigkeit der Betriebsseelsorge hat Bambergs Erzbischof Ludwig Schick bei einem Besuch des AEG-Elektrolux-Werkes in Rothenburg o.d.T. gehalten: Die Betriebsseelsorger seien keine Gewerkschafter und auch nicht politisch tätig, aber immer auf der Seite der Armen, so der Erzbischof. Die Betriebsseelsorge sei auch deshalb wichtig, so Schick, weil so deutlich werde, dass die Kirche in allen Lebensbereichen nahe bei den Menschen ist und sie auch im Arbeitsleben seelsorgerlich begleitet. Er bemühe sich, so Ludwig Schick weiter, ein bis zwei Mal im Jahr Betriebe in seinem Erzbistum zu besuchen, um so die Fülle des Lebens zu entdecken und den Lebensbereich, in dem sich die Menschen die meiste Zeit aufhalten, zu erfahren.
Der Leiter der Arbeitnehmerpastoral im Erzbistum Bamberg, Dr. Manfred Böhm, hatte den Besuch des Erzbischofs in der Rothenburger Fabrik organisiert und zeigte sich erfreut, dass die Werksleitung die kirchlichen Würdenträger mit offenen Armen empfangen habe. Zusammen mit Erzbischof Schick und Dr. Böhm waren auch Regionaldekan und Domkapitular Hans Kern sowie der Rothenburger Pfarrer Harald Sassik zu der Werksbesichtigung gekommen. Dr. Manfred Böhm betonte ebenfalls, dass die Arbeitswelt ein wichtiger Teil des menschlichen Leben sei und damit auch der Pastoral. Hauptanliegen der Arbeitnehmerpastoral sei es, Gerechtigkeit und Menschenwürde in der Arbeitswelt einzufordern.
Das AEG-Elektrolux-Werk in Rothenburg besteht seit 50 Jahren und beschäftigt derzeit 1150 Mitarbeiter. Darunter sind neben 40 Auszubildenden auch 229 Zeitarbeiter. Der Leiter des Werkes, Johann Reindl, gab im Vorfeld der Besichtigung der Produktionsstätten einen Überblick über die Geschichte des Werkes und die Produktpalette. Das Rothenburger Werk sei im Elektrolux-Konzern die größte Produktionsstätte für Kochgeräte in Europa. Neben Kochfeldern werden auch hochwertige Einbauherde in Rothenburg gefertigt. Allein im vergangenen Jahr haben 1,202 Millionen Herde die Produktionsbänder in Rothenburg verlassen. Die Wirtschaftskrise in den vergangenen Jahren sei, so Reindl, fast spurlos an dem Rothenburger Werk vorbeigegangen.
Das 1961 mit fünf Mitarbeiterinnen aus der Taufe gehobene Werk gehört seit 1994 zum Elektrolux-Konzern. Von 1965 bis 2002 wurden Küchen-Kleingeräte und Staubsauger produziert und von 1967 bis 1980 zusätzlich noch Wachsmaschinen. Seit 2002 werden ausschließlich Herde und Kochfelder in Rothenburg hergestellt. Unter den Mitarbeitern, so berichtete der Werkleiter weiter, seien 150 Hochschulabsolventen, 50 Techniker, 250 Facharbeiter und 60 kaufmännische Angestellte. Der restlichen Mitarbeiter seien angelernte Kräfte. Derzeit, so Reindl weiter, seien allein zehn Stellen für Ingenieure in der Entwicklungsabteilung unbesetzt.
Die Werksleitung habe schon jetzt vor dem sich abzeichnenden Facharbeitermangel große Sorge und habe aus diesem Grund in den letzten beiden Jahren die Zahl der Ausbildungsplätze verdoppelt. Die Mitarbeiter im Rothenburger Werk kommen aus 23 Nationen, so berichtete der Werkleiter, und es habe in der Vergangenheit deshalb nie Probleme gegeben. Es sei ein spannendes multi-kulti Miteinander im Betrieb, so Johann Reindl.
Der Produktionsleiter Kilian Knorr-Held führte Erzbischof Schick zusammen mit Domkapitular Kern und Pfarrer Sassik durch die Produktionshallen und erläuterte ausführlich die Herstellung der Herde. In jeder Schicht werden rund 14 Tonnen Blech verarbeitet. Aus diesem Blech werden die Herde geformt und mit den technischen Komponenten versehen. Das Rothenburger Werk sei, so Knorr-Held, führend im Bereich der Klebetechnik. Die Kochfelder und technischen Komponenten werden meist zusammengeklebt und dies biete einen umfassenden Schutz der Verbraucher beispielsweise vor Stromschlägen. Erzbischof Schick zeigte sich von der modernen Technik beeindruckt und gratulierte dem Werkleiter zum 50-jährigen Bestehen. Er drückte die Hoffnung aus, dass das Werk zum Segen und Wohlergehen der Menschen rund um Rothenburg noch lange bestehen werde.
Nach der Werksführung diskutierten Mitarbeiter von AEG-Elektrolux zusammen mit Dr. Böhm und dem Erzbischof über aktuelle Probleme in der Arbeitswelt. Die Mitbestimmung und die Arbeit des Betriebsrates sei für das Zusammenleben in der Fabrik sehr wertvoll, so Johann Reindl. Mit Blick auf die hohe Zahl der Leih- und Zeitarbeiter in seiner Fabrik stellte der Werkleiter klar, dass bei einer gesetzlichen Verpflichtung zur gleichen Entlohung der Leiharbeiter wie der festangestellten Mitarbeiter werde auf das Werk eine erhebliche finanzielle Belastung zukommen. Leiharbeiter bekommen in der Regel nur die Hälfte der Entlohung, die ein festangestellter Mitarbeiter erhalten, obwohl sie die gleiche Arbeit verrichten.
Es stelle sich hier die Frage, was eine gerechte Entlohnung sei. Werkleiter Reindl sagte, dass die Leiharbeiter etwa so viel bezahlt bekommen, wie beispielsweise Altenpfleger. Er selbst sei in einem Dilemma, weil er auf der einen Seite die Kostensituation und damit die Wettbewerbsfähigkeit seines Werkes im Blick haben müsse und auf der anderen Seite die Ungerechtigkeit sehe, wenn Mitarbeiter für die gleiche Arbeit unterschiedliche Löhne bekommen. Er stellte aber auch fest, dass die Mitarbeiter im Rothenburger Werk in der Regel sehr lange bleiben. Die durchschnittliche Zugehörigkeit betrage weit über 20 Jahre.
Die Leitung des Rothenburger Werkes zeigte sich auch sehr erfreut, Kontakt mit dem katholischen Pfarrer zu haben. Es sei nicht nur in Krisenzeiten nötig, einen Seelsorger zu haben, sondern auch in guten Zeiten. Vor einigen Jahren, als Entlassungen anstanden, war beispielsweise auch der katholische Pfarrer gefragt, um mit den Betroffenen Gespräche zu führen, um Sorgen und Ängste abbauen zu helfen und für die Betroffenen ein offenes Ohr zu haben. Zum Betriebsrat kommen häufig auch Mitarbeiter, so berichtete der Vorsitzende Rainer Kretschmer, in Lebenskrisen. Da sei gut, kompetente Gesprächspartner vermitteln zu können.
Erzbischof Ludwig Schick bedankte sich bei den Mitarbeitern des Rothenburger Werkes mit einem Buch für den, wie er sagte, sehr warmen und herzlichen Empfang. Im Gegenzug bekam er von Johann Reindl einen Küchenherd im Maßstab 1:25, den Auszubildende in der Lehrwerkstatt hergestellt haben.

