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Fahrer müssen europaweit gleich viel verdienen

Fernfahrerstammtisch in Mitwitz
Datum:
Veröffentlicht: 16.9.22
Von:
Rainer Glissnik
Beim Fernfahrerstammtisch tauschen sich Fernfahrer, Polizei, Gewerbeaufsicht und katholische Fernfahrerseelsorge offen über nivcht selten gemeinsame Probleme aus.

Mitwitz. Fernfahrer und Polizei haben eines gemeinsam: qualifizierter Nachwuchs wird dringend gesucht. Das ist zwar in ganz vielen Bereichen unserer Wirtschaft so, aber die Schwierigkeiten junge Leute für den Beruf zu begeistern weisen auch auf Probleme in diesen Berufen hin. Beim Fernfahrertreff der Katholischen Betriebsseelsorge im Mitwitzer Truckerheim der Franken-Strolche wurde engagiert und offen über wichtige belange gesprochen. Pastoralreferent Norbert Jungkunz bekommt als Fernfahrerseelsorger mit, dass auf allen Seiten sehr viel im Argen liegt. Die Verhältnisse für die heimischen Fernfahrer werden immer schlechter und die Bedingungen für die ausländischen ohnehin. „Es ist ein Fehler im System“, betont Jungkunz. „Die Arbeit, der Transport, hat keinen Wert. Das Transportieren von Waren ist einfach viel zu billig.“ Jeder Akteur am Markt drückt hier auf die Preise. „Die großen Konzerne wollen alle funktionieren und Gewinne machen, aber dafür nur wenig bezahlen.“ Der Wert des Transportes müsste in den Wert der Waren hineingerechnet werden. Da bleiben die Menschen im Transportgewerbe diesem Preis- und Gewinndruck ausgesetzt. Je weniger die Auftraggeber bezahlen umso niedriger sind die Löhne für die Fahrerinnen und Fahrer. „Es braucht eine klare Kabotage“ – das ist das Erbringen von Transportdienstleistungen durch ausländische Verkehrsunternehmen. Kosten die klar und transparent sind, damit faire Löhne gezahlt werden. „Wir brauchen in Europa das gleiche Lohnsystem für den Transport. Die Fahrer müssen europaweit gleich viel verdienen.“

Frust und Enttäuschung

Norbert Jungkunz erlebt auch viel Frust und Enttäuschung bei Polizei und Gewerbeaufsicht. Betrogen wurde schon immer, aber hier geht der Betrug gegen sich selbst. Ein Fahrer, der betrügt, der betrügt sich zunächst selbst. „Seine Gesundheit, seine Leistungsfähigkeit – es ist ein Risikospiel, sich nicht an die Vorgaben zu halten und übermüdet nach Hause kommt. Wenn er kein Glück hat, kommen er nicht nach Hause.“ Deshalb wünsche er jedem Fernfahrer und jeder Fernfahrerin: „Komm gut heim.“

Die Politik muss dafür sorgen, dass die Logistik den Stand im Gesundheitssystem bekommt, den sie verdient. „Es ist unheimlich viel geregelt, aber die Schlupflöcher sind enorm groß.“

Die Logistik wird sich verändern, wenn mehr Güter auf die Schiene kommen und mehr Fahrzeuge anders gelenkt werden. Da steckt aber noch nicht die Lösung für heute und morgen drin – vielleicht für übermorgen. „Jetzt brauchen wir einen Schutz für mehr Arbeitssicherheit auf den Straßen.“ Es gibt zu wenig Kontrollorgane, zu wenig Leute, die das im Sinne der Menschen, die da fahren durchsetzen.“ Immer werden Unternehmerbelange vorgeschoben, selbst bei Urteilen. Zu viel wird kleingeredet. „Aber es geht hier um Menschenleben“, machte Norbert Jungkunz deutlich. „Ich finde es entsetzlich, wie hier mit menschlichen Leben – mit Vätern und Müttern – umgegangen wird.“

Die katholische Fernfahrerseelsorge will etwas bewegen – ob in Bamberg, Augsburg, Heilbronn, Mainz, Speyer oder Limburg. „Wir versuchen, immer wieder auf die Situation der Fahrerinnen und Fahrer aufmerksam zu machen.“

 „Wir sind zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger da“, machte Ralf Lifka (Polizei Coburg) deutlich. Dazu gehören auch die Fernfahrer. Allzu oft fühlen wir uns wie Sisyphos: du versuchst immer wieder den Felsen den Berg hoch zu schieben und wenn du oben angekommen bist fällt er wieder herunter und du fängst von vorne an, erklärte sein Kollege Ulf Kalb. Die Probleme in diesem Bereich sind gesamtgesellschaftlich. „Ich kann den Frust der Lkw-Fahrer verstehen. Nachdem was wir ihnen erzählten, können sie wohl auch unseren Frust verstehen.“  „Wir sind zuständig für die Prüfung im Unternehmen“, erklärte Alexander Fritsch von der Gewerbeaufsicht. „Die Polizei draußen kontrolliert die Fahrer und wir die Unternehmen.“ Dabei sind die Probleme immer noch die gleichen. Allerdings wird mehr technisch manipuliert. Die Bedingungen werden immer härter und die Gewerbeaufsicht kann nur das prüfen, was im Unternehmen gespeichert ist. Wenn Manipulationen stattfinden und draußen entsprechende Zeiten aufgezeichnet werden kann dies im Unternehmen nicht mehr erkannt werden. „Für die ausländischen Fahrerinnen und Fahrer sind wir nicht zuständig.“

Neue Fahrtenschreiber

 Bis 2006 war der Fahrtenschreiber verpflichtend eingeführt für Neufahrzeuge. Es gab aber Bestandsschutz für Fahrzeuge, die vor 2006 zugelassen wurden. Digitale Fahrtenschreiber müssen bis spätestens 2026 überall installiert sein. Sie erfassen via Satellitenpositionssystem nicht nur Lenkzeiten sondern künftig auch Grenzübertritte. Der digitale Fahrtenschreiber erlaubt den Behörden damit, geltende Vorschriften besser zu kontrollieren. „Das wird die Straßenverkehrssicherheit weiter verbessern und Manipulationen zumindest stark erschweren“, erhofft sich Alexander Fritsch. „Es gilt EU-weit.“

Der Fernfahrerfrühschoppen geht ins elfte Jahr. Es ist ein Anliegen von Gewerbeaufsicht, Verkehrs-Polizei Coburg, Gewerkschaft „Verdi“, der Fernfahrerseelsorge im Erzbistum Bamberg und vieler Fernfahrerinnen und Fernfahrer, erklärte Pastoralreferent Norbert Jungkunz. „Es geht um Fragen von Lenk- und Ruhezeiten, Arbeitszeit und gerade jetzt tauchen Fragen auf hinsichtlich des neuen Mobilitätspakts".