Gespräch zwischen Kirche und Gewerkschaften mit Erzbischof Dr. Ludwig Schick

Gerechtigkeitslücke und Humanisierung der Arbeit
Unter demThema „Meine Zeit ist mein Leben“ stand das „Gespräch zwischen Kirche und Gewerkschaften“, zu dem die Betriebsseelsorge des Erzbistums Bamberg in das Bistumshaus St. Otto eingeladen hatte. Erzbischof Dr. Ludwig Schick stellte sich dabei den Fragen der Gewerkschafter aus der Erzdiözese.
Drei Statements wurden zu Beginn des Gespräches gegeben. Aber zuvor erklärte Dr. Manfred Böhm, Leiter der Betriebsseelsorge, Zeit sei ein kostbares Gut geworden. Die Arbeitszeit greife so stark in unsere Freizeit ein, dass beide manchmal nicht voneinander zu unterscheiden seien. Für das Wohlbefinden sei aber ein richtiger Rhythmus von Arbeits- und Freizeit nötig. Dies entspreche auch einer uralten Tradition der Kirche.
Ein Statement zu „Die Arbeitszeit braucht Grenzen. Der Einsatz für den arbeitsfreien Sonntag“ gab Volker Seidel von der IG Metall Ostoberfranken. Wir befänden uns mitten in einer Revolution – der betrieblichen Digitalisierung. Dies führe zu vielen Überstunden – auch gegen die 40- bis 30-Stunden-Woche. Samstags- und Sonntagsarbeit würden immer mehr gefordert. Sieben Tage mit sechs Schichten die Woche gebe es mittlerweile schon. So sei die Meinung vieler Arbeitnehmer, dass die Gewerkschaften sich nicht nur um steigende Löhne, sondern mehr um die Arbeitszeiten kümmern sollten.
Jürgen Göppner von Ver.di Mittelfranken, sprach über „Das Arbeitstempo braucht Grenzen. Mensch bleiben im Zeitalter betrieblicher Digitalisierung“. So sei besonders in Gesundheitsberufen zu beobachten, dass immer weniger individuelle Zeit für die persönliche Ansprache der Patienten bleibe. Dadurch leide natürlich die Qualität der Pflege. Unter welchen Bedingungen gearbeitet werden müsse, würden folgende Fakten zeigen: 2016 habe es in deutschen Kliniken 1,7 Millionen Beschäftigte gegeben – die vor allem im Pflegebereich 35 Millionen Überstunden vor sich her schieben. Nachts sei oft eine einzige Fachkraft für 30, ja sogar manchmal 40 Patienten zuständig. Das stehe sowohl den Wünschen der Beschäftigten als auch der Patienten entgegen. Daher fordere die Gewerkschaft gesetzliche Regeln für die Personalzuteilung. Beim jetzigen Stand gelte der Satz: „Arbeit im Krankenhaus macht krank“. Es sei so kein Wunder, das sich immer weniger für diese Berufe interessieren.
Das dritte Statement kam von Betriebsseelsorger Martin Plentinger aus Nürnberg zum Thema „Die Arbeitskraft hat Grenzen. Ein Plädoyer für Entlastung“. Religion werde auch als „Unterbrechung“ definiert. Das betreffe aber nicht nur die Unterbrechung des Alltags durch den sonntäglichen Gottesdienstbesuch. In der göttlichen Schöpfung sei ein Rhythmus von sieben Tagen „eingebaut“. Der 7. Tag sei ein Tag der Unterbrechung. Dieser sei ein Tag des Herrn, weil er ein Tag für die Menschen sei. Ohne Ruhezeit gebe es keine Ernte. Der Sonntag solle uns immer wieder aus dem„Alltagsdreh“ herausnehmen und zum Nachdenken bringen. Ohne Unterbrechung ,laufe der Mensch wie ein Rad „heiß“‘.
Der Sonntag sei ein „Zeitanker“. Aber wir hätten uns schon eine alltägliche Nutzung dieses Tages angewöhnt. Der Schreibtisch stehe daheim, damit man dort noch viel „abarbeiten“ kann. Ziel einer Sieben-Tage-Arbeits-Woche sei die Optimierung des Absatzes, ein Wettrennen auf die ersten Plätze auf dem Markt. Aber ein gemeinsamer Lebensrhythmus mit Ruhezeiten sei sehr wichtig.
Erzbischof Schick betonte nach diesen drei Statements, die Humanisierung der Arbeit sei wichtig. Man dürfe nicht das Menschliche in der Arbeit verlieren. Technisierung und Digitalisierung könnten auch eine Erleichterung der Arbeit bedeuten. Wenn es aber durch diese zu einer De-Humanisierung komme, müssten alle roten Warnlampen aufleuchten. Wenn die Arbeit nicht human gestaltet wird, dann nütze auch ein Acht-Stunden-Tag und eine Fünf-Tage-Woche nichts.
Eine humanisierte Arbeit unterstütze die Schöpfung. Sie entwickle den Menschen. Ohne Arbeit oder mit einerArbeit, die einem nicht zusagt, könne man nichts für das Gemeinwohl tun. Die Arbeit werde immer spezialisierter. Der freie Sonntag könne daher unseren Horizont öffnen und weiten.
Schick berichtete, dass er einmal ein Plakat, das für Personal für die Lufthansa warb, mit der Aufschrift „Damit der Himmel offen bleibt, haben wir hier unten viel zu tun“ gesehen hatte. Dieser Spruch gelte auch für die Kirche und die Gewerkschaften. Wenn die Arbeit nicht human gestaltet wird, dann diene sie auch nicht der Humanisierung der Welt. Jeder Gewerkschafter solle sich in seinem Breich für die Humanisierung der Arbeit einsetzen, forderte der Erzbischof. „Wer kämpft, kann verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren,“ betonte er.
Durch gute Praxisbeispiele könne man zeigen, was das Wichtgste ist. Man solle zeigen, dass jede Arbeit (auch putzen etc.) wichtig ist. Dann sei die logische Folge, dass es auch für diese Arbeiten mehr Geld gibt. Es gebe eine Gerechtigkeitslücke, gegen die man angehen müsse. Wer diese verschweige, verrate Jesus und das Evangelium. Es gebe welche, die zu viel Ged verdienen, und welche, die zu wenig verdienen. Dagegen müsse man vorgehen. Dabei dürfe aber keine Neiddebatte aufkommen. Man solle nicht in den Tag hineinstolpern, sondern morgens innehalten, beten und sich besinnen. Man müsse auch das Gute sehen – dann könne man sich dafür einsetzen, dass anderes besser wird.
Schick forderte die Gewerkschafter auf, guter Hoffnung zu bleiben, dass die Humanisierung unserer Gesellschaft erhalten und verbessert werden kann.