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Gesundheit und Sicherheit der Fahrer – Thema beim Fernfahrerwochenende in Obertrubach

FFWE 2011
Datum:
Veröffentlicht: 3.4.11
Von:
entschaej

Am Ende des Winters trafen sich Fahrer mit ihren Partnerinnen auf Einladung von der katholischen Betriebsseelsorge Bamberg und dem Fachbereich Spedition und Logistik von Ver.di zu einem gemeinsamen Erfahrungsaustauch in der Arbeitnehmerbildungsstätte in Obertrubach

Sicherer mit gerechten Löhnen

„Um den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Transportbranche ist es nicht gut bestellt. Sommerliche Hitze und Eiseskälte, die Fahrer in billig ausgestatteten Fahrerkabinen tagsüber oder durch die Nacht aushalten müssen, stellen einen Angriff auf das Recht der Unversehrtheit am Arbeitsplatz dar“, so beschreibt Manfred Weidenfelder von Verdi die kritischen Arbeitsbedingungen von Fahrerinnen und Fahrer. Schuld an den schlechten Arbeitsbedingungen der Fahrer ist die weit verbreitete Auffassung unter Arbeitnehmern, dass jede Arbeit besser ist als keine Arbeit. Doch billige Arbeit macht krank. Der Kostendruck der in der Branche herrscht, lastet voll auf der Lohn und Arbeitssituation der „Chauffeure“, die sich immer mehr als Lastesel sehn. Energisch streitet ver.di für Tariflöhne in der Transportbranche. Doch Fahrerinnen und Fahrer müssen stärker zusammenstehen und sich ihrer Gewerkschaft anschließen. Gewinne können nicht nur die Arbeitgeber abschöpfen.

Fahrer gegen Gigaliner

Die Gewerkschaft Verdi, so Weidenfelder, warnt vor weiterem Lohn-Dumping in der Speditionsbranche durch den Einsatz von Riesen-LKW. Das ist Effizienzsteigerung auf unsere Kosten, sind sich die Fahrer einig. Mit den Gigaliner wächst der Druck auf den Fahrer und die Verantwortung noch mehr. Der Preisdruck wird wieder einmal zu Lasten des Menschen verschoben. Die Folgen von Billigfrachten, Leistungsdruck und Lohndumping sind zunehmende Krankheit und Altersarmut bei den Fahrern. Niedrige sozialversicherungswirksame Grundlöhne führen zu einem schlechten Auskommen in der Rente. Dies kann auch ein gesetzlicher Mindestlohn nicht verhindern, sind sich die Fahrer einig. Doch sprechen sie sich für einen solchen Mindestlohn in der Branche aus, denn die Konkurrenz an Fahrern aus dem Ausland ist groß. Es fährt sich sicherer, wenn du einen gerechten Lohn bekommst und nicht zittern musst, ob es für das ganz normale Leben reicht, fasste ein Fahrer die engagierte Diskussion zusammen.

Ein halber Meter für mehr Menschlichkeit

Über das Projekt Hellwach am Steuer berichtete Fernfahrerseelsorge Josef Krebs von der katholischen Betriebsseelsorge Heilbronn. Das Land Baden-Württemberg hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich besonders der Situation der Fahrerinnen und Fahrer auf der Straße annahm. Den Preis für die Allverfügbarkeit von Waren zahlen die Fahrerinnen und Fahrer. Erhöhtes Verkehrsaufkommen, Zeitdruck, Gefahr von Monotonie hinterm Steuer, Ankämpfen gegen den Sekundenschlaf sind Stressoren, die sich auf die Gesundheit der Fahrer negativ auswirken. Mangel von Ruhe- und Parkplätzen verschlechtern die Arbeitssituation. Sie sind auf weiter Flur alleine und müssen alleine zurechtkommen. Sie können sich schlecht versorgen an Rast- oder Autohöfen, deren hohen Preise selten dem Lohn der fahrenden Kundschaft entsprechen. Auch klagen die Fahrer über eine schlechte medizinische Versorgung unterwegs. Die Scheidungsrate bei den Fahrern liegt bei 80%. Das Familienleben leidet und findet leider nur am Telefon statt, bedauern die anwesenden Partnerinnen. Es bleibt zu wenig Zeit für Gespräch und Beziehung. Es gibt eine Menge an technischen Hilfsmitteln, die das Fahrerleben angenehmer machen könnten, stellt der Fahrerseelsorger Josef Krebs fest und zählt Standklimaanlage, Standheizung, technische Assistenz, Abstand- und Spurhalteautomatik u.a. auf. Doch die Spediteure kaufen sie nicht. Daran zeigt sich aber, was einem Spediteur sein Fahrer wert ist. Das Projekt schlägt eine verbesserte Kabinenausstattung vor und kommt den Wünschen der Fahrer sehr nahe. Ausreichend Platz und eine Standklimaanlage würden das Schlafen verbessern. Ein halber Meter für mehr Menschlichkeit würde ausreichen, forderte der Fahrerseelsorger. Doch stehen die Fahrerinnen und Fahrer selbst in der Verantwortung auf die eigene Gesundheit zu achten. Die wichtigste Fracht sind die Fahrer selbst. Es geht um deine Gesundheit, machte Krebs den Fahrern bewusst. Achten auf ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und Einhalten der Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen wünschten sich auch die Partnerinnen von den Fahrern.

Polizei als Partner

„Ohne Kontrolle geht es in der Branche nicht“, stellte Franz Zach von der Verkehrspolizeiinspektion in Coburg fest. Seine jahrzehntelange Erfahrung in der LKW-Kontrolle setzt auf partnerschaftlichen Umgang mit den „Chauffeuren“. Tricksereien mit den Lenk und Ruhezeiten gibt es noch immer, auch nach der Einführung der digitalen Tachocard. Letztlich dient jede Kontrolle der Sicherheit des Verkehrs, aller Verkehrsteilnehmer und besonders der Sicherheit des Fahrers selbst. Ein Drittel der Fahrer überschreiten Lenk und Ruhezeiten. Zach hat es schon erlebt, dass ein Fahrer sich selbst angezeigt hat, weil er einfach nicht anders dem Druck seines Chefs entkommen konnte. Leichtsinn bei der Ladungssicherung, muss er auch feststellen, oft sei Unwissenheit der Grund. Eine bessere Qualifizierung der Fahrer würde er sich wünschen und hofft auf die Wirkung des Berufkraftfahrerqualifizierungsgestezes. Nicht jeder ist fähig einen 40 Tonner zu lenken, sind sich die anwesenden Diskutanten einig. Sie kritisieren die Praxis der Arbeitsagenturen, vielen den Führerschein zu bezahlen. Berufskraftfahrer muss wieder ein angesehener Beruf werden, sind sich die Fahrer und der Vertreter der VPI Coburgs einig. Respekt voreinander, während einer Kontrolle, die immer ungelegen kommt, kann auch zu einem partnerschaftlichen Umgang und fahrerfreundlichen Ergebnissen führen. Die Fahrerinnen und Fahrer konnten sich sogar ein Nachtfahrverbot nach dem Schweizer Modell vorstellen.

Wiedersehen in Geiselwind

Ein wichtiges Anliegen der katholischen Betriebsseelsorge Bamberg ist es Fahrerinnen und Fahrern einen Austausch über ihre Sorgen zu bieten. Deshalb veranstaltet sie nicht nur dieses Wochenende, sondern auch Fahrer-Frühschoppen Lichtenfels und Coburg. Gemeinsam mit der Betriebsseelsorge Heilbronn, Augsburg, Würzburg bildet sie die Arbeitsgruppe Fernfahrerseelsorge.

Beim Truckerfestival zu Pfingsten am Autohof Strohofer am 11. bis 13. Juni werden die Fernfahrerseelsorger gemeinsam mit der VPI Biebelried für die Sorgen der Fahrerinnen und Fahrer als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Mit dem Motto der Kirche für Fernfahrer: „Wir sind für Euch da, weil ihr für uns da seid“, wollen die Seelsorger ihren Dank ausdrücken und jeder Fahrerin und jedem Fahrer das Hörbuch: Einparkhilfe für die Seele überreichen.

Truckerfestival