Im Gespräch mit der Beraterin der ökumenischen Arbeitsloseninitiative "Die Insel" in Scheinfeld
Von Arbeitssuche und Existenzsicherung
Es ist ein zynischer Umgang mit den Menschen. "Seit der Einführung von Hartz IV wurde schlagartig weniger Lohn gezahlt." Ursula Pfäfflin Nefian verfolgt die Entwicklung seit vielen Jahren. Sie ist Beraterin in der Ökumenischen Arbeitsloseninitiative "Die Insel" in Scheinfeld und sieht, wie sich die Spirale der Armut immer weiter nach unten dreht. "Die Folge von Hartz IV", sagt sie: "Die Menschen werden gezwungen, eine Arbeit anzunehmen, auch unterhalb des Existenzminimums".
Genauso zynisch findet sie Teile des Berichts der "Arbeitsgruppe Arbeitsmarkt" den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Mai vorgelegt hat. Der Bericht gehe davon aus, dass die Menschen freiwillig nur halbtags arbeiten. "Aber sie finden ja nichts anderes", weiß Ursula Pfäfflin Nefian. "Sie machen den 400 Euro Job, um wenigstens etwas zu arbeiten".
Das intepretiere die Regierung als Fehlanreiz, als sogenannte Teilzeitfalle. So schlage beispielsweise das Gutachten des Sachverständigenrates vor, die ersten 200 Euro des Hinzuverdienstes vollständig auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen. "Zieht man die Fahrtkosten zur Arbeitsstelle ab, bleibt den Betroffenen weniger als ohne Arbeit", betont die Beraterin.
Weiter heißt es in dem Papier: "Um gleichzeitig den Anreiz für die Leistungsträger zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erhöhen..., schlägt der Sachverständigenrat eine Absenkung der Regelleistung um 30 Prozent vor. Diejenigen, die keine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt finden, müssen eine angebotene Arbeitsgelegenheit (1,50 Euro-Job - Anmerkung der Redaktion) mit Mehraufwandsentschädigung aufnehmen, um ihren Bedarf auf Basis des heutigen soziokulturellen Existenzminimums sichern zu können. "Für Ursula Pfäfflin Nefian nichts anderes als Zwangsarbeit.
Außerdem, so betont sie: der Regelsatz für den Haushaltsvorstand, beziehungsweise für einen Ein-Personen-Haushalt liege derzeit bei 345 Euro. "Ziehen Sie davon mal 30 Prozent ab!"
345 Euro, die reichen müssen für Nahrungsmittel, Getränke, Bekleidung, Schuhe, Gesundheitspflege, Medien, Freizeitgestaltung, Innenausstattung, Haushaltsgeräte und Fahrtkosten. 345 Euro geteilt durch 30 Tage ergibt ganze 11,50 Euro. Schöne Passfotos für eine Bewerbung? Die übersteigen das Kostenbudget. Dass die Menschen dann ihre Miete öfters nicht bezahlen oder im Winter in der kalten Wohnung sitzen, wunder Ursula Pfäfflin Nefian nicht.
Die Existenzsicherung steht in ihrer Arbeit deshalb auch an erster Stelle. Die Überprüfung von Hartz IV-Bescheiden, die Hilfe bei Klagen oder Anträgen. Oft geht es darum, überhaupt erst einmal einen Bescheid zu erhalten. Nach wochenlangem Warten nach Antragstellung wüssten die Betroffenen schier nicht mehr, wovon sie leben sollen. Zweiter Schwerpunkt der ökumenischen Arbeitsloseninitiative ist dann die Unterstützung bei der Stellensuche, das Erstellen von Bewerbungsunterlagen etwa, aber auch die Hilfe im Umgang mit psychosozialen Problemen - das gehe bis hin zur Selbstmordgefährdung. "Wir suchen mit den Leuten Perspektiven und zeigen einzelne Schritte auf." Es sei wichtig, das Selbstwertgefühl zu stärken. Auch mit Freizeitangeboten, damit die Menschen einfach mal wieder durchatmen können. Nach unzähligen Stellenabsagen ist man einfach am Ende. Und Absagen bekämmen nicht mehr nur Menschen mit Problemen, Ältere oder Kranke. "Vom Schulabgänger bis kurz vor der Rente", sagt die Beraterin, kämen die Leute zu ihr. Immer jünger würden die Ratsuchenden, immer mehr gut Ausgebildete seien darunter, oft mit mehreren Berufen, Meister aus den unterschiedlichsten Branchen, Techniker, Betriebswirte.
"Die breite Mittelschicht ist armutsgefährdet", sagt Ursula Pfäfflin Nefian, denn die Spirale drehe sich weiter. Die Löhne würden immer niedriger - zumindest von einem Teil der Bevölkerung. Schließlich sei das Volkseinkommen im Jahr 2006 um 52 Milliarden Euro gestiegen. Der Gewinn der Bundesarbeitsagentur habe bei 10 Milliarden gelegen.
Zusammenarbeit
Deshalb gehe es Ursula Pfäfflin Nefian neben der konkreten Unterstützung der Arbeitslosen auch um die Zusammenarbeit mit anderen Stellen und weiter reichende Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit. "Als kirchliche Stelle ist es wichtig, die Situation an den Pranger zu stellen", sagt sie. "Wie seht es denn aus mit der sozialen Gerechtigkeit?" Vor allem die Kinder seien es, an die sie denke, denn sie seien besonders von der Armut betroffen. 2,5 Millionen Jungen und Mädchen unter 18 Jahren würden, so die Statistiken, in Deutschland in Armut leben. "Kinder, die in ihrer Entwicklung und in ihrer Zukunft eingeschränkt sind". Und Ursula Pfäfflin Nefian fügt hinzu: "Damit ist auch die Zukunft unserer Gesellschaft eingeschränkt."
Arbeitsloseninitiativen im Erzbistum:
Die Arbeitnehmerpastoral der Erzdiözese Bamberg trägt die ökumenische Arbeitsloseninitiative "Die Insel" in Scheinfeld und wird dabei unterstützt vom Diakonischen Werk Bayern, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt, Diakonieverein Scheinfeld und verschiedenen Kirchengemeinden. Darüber hinaus gibt es entsprechende Beratungsstellen in Bamberg, Kulmbach, Herzogenaurach und Nürnberg.
Die Beratung ist in allen Stellen kostenlos, unbürokratisch und unterliegt der Schweigepflicht. Neben Einzelberatung werden Seminare und Bildungs- und Freizeitangebote organisiert, wie zum Beispiel Bewerbungstraining, EDV-Kurse, Rhetorikkurse oder Kurse für den Wiedereinstieg von Frauen.
Die Arbeitsloseninitiative in Scheinfeld in der Landwehrstraße 15 ist Montag bis Donnerstag von 9 bis 12 Uhr geöffnet. Telefon: 0 91 62 / 75 77.