Intrigen und Schikanen

Mobbing trotz rückläufiger Arbeitslosenzahlen weiter auf dem Vormarsch
Trotz rückläufiger Arbeitslosenzahlen ist Mobbing weiterhin auf dem Vormarsch. Diese Erfahrung macht zur Zeit Bernd Schnackig, der im Rahmen der Arbeitnehmerpastoral im südlichen Teil des Erzbistums Bamberg eine Beratungsstelle für Menschen, die von Mobbing betroffen sind, leitet.
Zu ihm kommen Menschen aus allen Berufsgruppen und Gesellschaftsschichten. Sie kommen oft erst dann, wenn es fast schon zu spät ist, wenn Konflikte am Arbeitsplatz schon eskaliert sind, wenn sie schon über Monate hinweg persönlichen Angriffen, Intrigen und Schikanen von Arbeitskollegen und/oder Vorgesetzten ausgesetzt waren.
Oft ist dann schon die Gesundheit des von Mobbing Betroffenen angegriffen, derjenige ist ins soziale Abseits gerückt, hat den Lebensmut verloren.
Hilfe bringen dann erst zahlreiche Gespräche in der Mobbingberatungsstelle, in denen die Konflikte zusammen analysiert und Lösungsmöglichkeiten gesucht werden.
„Die Ratsuchenden sollen in die Lage gesetzt werden, eine Perspektive für die Zukunft an ihrem Arbeitsplatz zu finden“, erklärt Bernd Schnackig, der nun schon seit Anfang 2006 in der Herzogenauracher Anlaufstelle vielen Menschen helfen konnte. Es geht darum, sich selber zu ändern, wieder konstruktive Handlungsmacht zu bekommen. Schnackig schätzt, dass drei Viertel der Ratsuchenden mit einem befriedigenden Ergebnis gehen. Sie behalten ihren Arbeitsplatz und können wieder aufatmen.
Dass Mobbing die Menschen krank macht, zum vorzeitigen Tod führen kann, hat sich inzwischen in der breiten Öffentlichkeit herumgesprochen. Viele Menschen sehen sogar nur noch im Selbstmord die „letzte Möglichkeit“. Der 2005 von der Sozialforschungsstelle Dortmund herausgegebene Mobbing-Report ist für Bernd Schnackig immer noch brandaktuell. Jeder neunte Erwerbstätige – so wurde damals festgestellt – war bereits einmal in seinem Leben von Mobbing betroffen. Kein Arbeitsbereich könne als „mobbingfreie Zone“ gelten. Vielmehr ziehe sich das Phänomen quer durch alle Branchen, Betriebsgrößen und Tätigkeitsniveaus. Immer neue Formen der Arbeitsorganisation, forciert durch den fortschreitenden Einsatz neuer Technologien, führen oft zu Leistungsverdichtung und beschleunigtem Zeit und Termindruck. Besonders gefährdet sind – was überraschen mag, Menschen in sozialen und lehrenden Berufen. Und immer wieder sind Vorgesetzte in Mobbingfälle verwickelt. Da fehlt es häufig an Kompetenzen im Bereich Menschenführung und Leitung von Teams.
Die Verrohung der Gesellschaft und in den Medien trägt zu Mobbingprozessen bei. Es beginnt bereits im Kindergarten, setzt sich in der Sportvereinen und der Schule fort und mündet in den Erwerbsarbeitsplatz. Da geht es oft nur noch um die Vernichtung des „Gegners“. In unzähligen Serien, Kriegsnachrichten wird bedingungslose Konkurrenz, aggressives Durchsetzen als einzig erfolgversprechendes Instrumentarium vorgelebt nach dem Motto: „Es kann nur Einen geben“.
Erst langsam sieht Bernd Schnackig eine Unternehmenskultur wachsen, die sich Kooperationsbereitschaft und intelligentes Konfliktmanagement auf die Fahnen schreibt. Förderliche Impulse aus der Forschung kämen aktuell aus den USA. Mehr und mehr werde eingesehen, dass ein belastendes Betriebsklima nur Arbeitskraft bindet und viele negative Folgen hat. Da könne die Prävention ansetzen, die Aufklärungsarbeit von Gewerkschaften, Personalräten oder speziellen Arbeitskreisen, die sich mit Mobbing befassen. Beispielhaft sei da das „Netzwerk gegen Mobbing im Großraum Nürnberg“, in der auch kirchliche Organisationen wie die Katholische Betriebsseelsorge dabei sind.
Jedem, der in Mobbing verstrickt ist, kann Bernd Schnackig nur ans Herz legen, sich möglichst frühzeitig professionelle Hilfe zu holen. In schwerwiegenden Fällen könne es auch sehr hilfreich sein, sich psychotherapeutische Unterstützung bei speziell dafür ausgebildeten Therapeuten zu organisieren.
Ein Beispiel:
Anne Gruner* ist über 50 Jahre alt und Projektassistentin in einem Maschinenbaubetrieb. Als ein neuer Abteilungsleiter im Alter von etwa 30 Jahren kommt, beklagt er sich sofort darüber, dass er von lauter „alten Weibern“ umzingelt ist und so nicht arbeiten kann. In den folgenden Monaten übte er ständige und zunehmende Kritik an der Arbeit von Anne Gruner, er entzog ihr Aufgaben und schloss sie von Informationen aus, verweigerte Urlaub, ordnete Überstunden an, obwohl gar keine Arbeit da war, der Umgangston wurde beständig schärfer, bis Anne Gruner zweimal weinend den Arbeitsplatz verlassen musste, weil sie das Benehmen des Abteilungsleiters nicht mehr ertragen hat. Gelöst wurde das Problem, als Anne Gruner die Geschäftsleitung ansprach und diese dem Abteilungsleiter eine neue Aufgabe zuteilte.
* (Name von der Redaktion geändert).
Heinrichsblatt, Regionalausgabe D, Nr. 22 vom 27. Mai 2012, Seite 17