Kirche hört den Schrei aus der Arbeitswelt

Wallfahrt: Anlässlich des 1000-jährigen Domjubiläums pilgerten Arbeitnehmer und Arbeitslose mit Erzbischof Ludwig Schick durch die Innenstadt zum Dom. An vier Stationen und im Gottesdienst fielen mahnende Worte: „Arbeit ist Menschenrecht“.
Bamberg - Langsam löffelt Brigitte Winkler (Name von der Redaktion geändert) den dampfenden Eintopf. Die 59-Jährige, die mit ehemaligen Kolleginnen des Bamberger Kaufhauses Honer mitgepilgert ist, schaut nachdenklich drein: „Die Wallfahrt gibt Kraft“, meint Brigitte Winkler. Und schließlich „stirbt die Hoffnung zuletzt“, erklärt sie. Arbeitslos wie noch die meisten der „Honer-Frauen“. 34 Jahre lang habe sie in dem Kaufhaus gearbeitet. Brigitte Winkler lächelt ein wenig bitter. Umso dankbarer zeigt sie sich über den „Zuspruch von Erzbischof Schick“: „Ist schon gut, dass nicht nur ein einfacher Pfarrer mitgegangen ist, sondern der Erzbischof“, freut sich die „Honer-Frau“.
Vorneweg war Ludwig Schick bei dieser Wallfahrt für Arbeitnehmer und Arbeitslose vom Maxplatz zum Dom mitmarschiert. Gleich hinter dem Banner „Arbeit ist Menschenrecht“, das den Zug der knapp dreihundert Menschen anführte. Normalerweise hat die traditionelle Arbeitnehmerwallfahrt die Basilika Vierzehnheiligen als Ziel. Doch zum 1000-jährigen Domjubiläum sollte es „Dem Himmel entgegen“ gehen, wie dessen Motto lautet. „Arbeitnehmer haben im Jubiläumsjahr einen wichtigen Platz in der Hauptkirche des Erzbistums“, betont Betriebsseelsorger Manfred Böhm. Die Wallfahrt sei ein Zeichen, dass „die Arbeitswelt ins Zentrum der Verkündigung gehört“. Dass „die Kirche den Schrei aus der Arbeitswelt hört“, ergänzt Maria Gerstner, Kronacher Diözesansekretärin der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB). Die katholische Betriebsseelsorge, die KAB, die ökumenischen Arbeitslosenberatungsstellen im Erzbistum Bamberg und die Franziskaner von Vierzehnheiligen hatten zu dieser Wallfahrt eingeladen.
Vier Stationen gliedern den Pilgerweg durch die Innenstadt. Vorbeter werfen Schlaglichter auf den Arbeitsalltag. Sie benennen „Arbeit für einen Hungerlohn“, „Arbeit oft nur als Befristung“, „prekäre Beschäftigung“, „entwertete Leistung der Menschen“, wenn Arbeit nur als klein gehaltener Kostenfaktor in den Wirtschaftsbilanzen auftaucht. Wenn die Seele durch die Arbeit krank wird, wenn nur noch Erschöpfung bleibt, wenn die Angst um den Arbeitsplatz übermächtig ist, wenn die Resignation bei der Arbeitssuche verzweifeln lässt. Eine Litanei der Sorgen und Hoffnungen steigt gen Himmel: um eine gerechte Entlohnung, um faire Arbeitsbedingungen, um ein gutes Betriebsklima, um zukunftssichere Arbeitsplätze.
„Arbeitsmärkte müssen so gestaltet sein, dass die Würde der Arbeit zum Tragen kommt“, heißt es an einer Station. Die Pilger ziehen weiter und singen „Alles meinem Gott zu Ehren in der Arbeit, in der Ruh. Gottes Lob und Ehr zu mehren…“. Wieder ertönt die Mahnglocke. Macht wach für die Klagen über die zunehmende Spaltung der Gesellschaft. Über die wachsende Kluft zwischen oben und unten. „In diese unsere Welt komme dein Reich!“ bitten die Pilger.
Im Gottesdienst bündeln sie ihre Anliegen. Eindringlich klingt ihr Lied „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf in dieser Zeit, niemand soll ein Opfer sein…erbarm dich, Gott.“ Erzbischof Schick findet in seiner Predigt deutliche Worte: „Wir brauchen für gute Arbeit gerechten Lohn“. Der Niedriglohnbereich sei „Gift für unsere Gesellschaft, für Stabilität und Humanität“. Die Löhne müssten so gestaltet sein, dass davon Familien ernährt und Altersvorsorge finanziert werden könne. Als weiteren „Grundpfeiler der Arbeitswelt“ fordert der Erzbischof „stabile Arbeitsverhältnisse durch Dauerarbeitsverträge“. Vor allem junge Menschen würden zu oft lediglich mit Zeitverträgen beschäftigt, kritisiert Schick. Sie könnten keine Familie gründen, Kinder haben, „weil ihr Leben in der Arbeitswelt ungesichert ist“. Neben einem gerechten Lohn und stabilen Arbeitsverhältnissen mahnt der Erzbischof „mehr religiöses Leben“ an, „weil es uns Glauben, Vertrauen und ein Miteinander schenkt“. Religiöses Leben fördere „Gemeinschaft und Mitmenschlichkeit“.
Nach dem Pontifikalamt sind alle Wallfahrer zum Mittagessen ins Dompfarrheim eingeladen. Die „Honer-Frauen“ sitzen beieinander: „Wir sind nicht allein“, hat Brigitte Winkler an diesem Tag erfahren. Und damit meint sie nicht nur die Gesellschaft ihrer Schicksalsgefährtinnen.
Video zur Wallfahrt "Arbeit ist Menschrecht - Dem Himmel entgegen, der Erde verbunden": http://www.kircheinbayern.de/node/1514



