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Mit einem Klagelied zu den 14 Nothelfern

Datum:
Veröffentlicht: 17.10.11
Von:
sz - Obermain Tagblatt

Pilger und Geistliche üben bei Arbeitnehmerwallfahrt harsche Kritik an Politik und Gesellschaft / Visionen gefordert

„Arbeit ist Menschenrecht – Ohne Vision verkommt das Volk“ - dieses Leitmotiv stand im Mittelpunkt einer Wallfahrt für Arbeitnehmer und Arbeitslose nach Vierzehnheiligen am vergangenen Samstag mit Generalvikar der Erzdiözese Bamberg Monsignore Georg Kestel. Eingeladen hatte die Katholische Betriebsseelsorge Bamberg, der Diözesanverband Bamberg und das Franziskanerkloster Vierzehnheiligen Bad Staffelstein.

Wallfahrtsleiter Pater Heribert, Guardian des Klosters, erinnerte an eine verbreitet Jugendarbeitslosigkeit. Sie sei kein Hoffungssignal für junge Menschen, die in der Lebensphase stehen: „Sag dem Abenteuer, ich komme“.
Unsere Gesellschaft lasse viele Jugendliche verkommen und wundere sich, wenn diese aufbegehren. Doch nicht nur junge Menschen erfahren das Problem. Arbeitslose bekämen oft schlecht bezahlte Leiharbeit oder Teilzeitjobs.

Wieder Mut schöpfen

Das Thema biete Anlass zu einem Klagelied, das sie zu den 14 Nothelfern trügen, so Pater Heribert und unterstrich: „Aber vielleicht schenken sie Hoffnung und ermutigen zu Initiativen, dem Leben Sinn und Zukunft zu geben, den Mut nicht sinken zu lassen und vielleicht übersehene Chancen wahrzunehmen“.

Die Wallfahrt wurde am Seubelsdorfer Kreuz in Lichtenfels eröffnet. Auf dem gemeinsamen Weg zur Basilika wurden an vier Stationen die Sorgen und Nöte der Menschen in der Arbeit und in Arbeitslosigkeit durch Betroffene in Gebeten und Meditationen thematisiert und eine Vision einer gerechten Welt entwickelt.

Das alte Israel habe die Befreiung von der Unterdrückung und Sklaverei in Ägypten erfahren und damit Gott als leidenschaftlichen Kämpfer für gerechte Lebensverhältnisse seines Volkes erlebt, hieß es.

„Wir wollen uns nicht mit der Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche abfinden.“ Betriebsselsorger Norbert Jungkunz

Die Visionen der Propheten duldeten keine Neutralität, der Bedürftige werde zum Maßstab allen Handelns. Nicht in Visionslosigkeit zu verharren, sondern sich für die visionäre Kraft des Glaubens auf den Weg zu machen und diese Kraft für die Gesellschaft fruchtbar werden zu lassen, dazu luden die Veranstalter in diesem Jahr ein.

Monsignore Georg Kestel, der die feierliche Eucharistiefeier zelebrierte, ging näher auf das Leitmotiv der Wallfahrt ein. „Ohne prophetische Offenbarung, ohne Vision verkommt das Volk“. Aus dem Munde Jesu seien es die Gleichnisse, die seine Vision des Reiches Gottes beschreiben, sagte der Generalvikar.

Sie seien keine Halluzination, Träumerei, keine Utopie ohne Bodenhaftung, im Gegenteil: „Er nimmt buchstäblich für seine Vision die Pflanzensaat und das natürliche Wachstum als Beispiele – den Weg vom kleinen Senfkorn zum Baum, von der Wirkung der Prise Salz in der Speise, vom Sauerteig als dem unverzichtbaren Ferment des künftigen Brotes. Eine anspruchsvolle, aber realistische, realisierbare, motivierende Vision“.

Im Anschluss an den Gottesdienst lud Pater Heribert die Wallfahrer in das Informationszentrum des Klosters Vierzehnheiligen zu einer herzhaften Suppe ein.

"Christen mküssen politisch sein"
Gespräch mit Pastoralreferenten Norbert Jungkunz

Betriebsseelsorger Pastoralreferent Norbert Jungkunz, der mit seinem Team die Wallfahrt organisierte, war beeindruckt von den vielen Menschen aus verschiedenen Regionen mit ihren unterschiedlichsten Lebensumfeldern.

Bei einem Gespräch mit unserer Zeitung machte er deutlich, dass sich Gewerkschafter, Politiker, Arbeitnehmer und Arbeitslose gemeinsam unter das Motto „Arbeit und Menschenrecht“ stellten. Das Anliegen der Wallfahrt sei, Christen dafür in die Verantwortung zu nehmen.

„Wir wollen uns nicht mit der Spaltung der Gesellschaft in Arme und Reiche abfinden“, sagte er. Er sei gegen unbezahlte Probearbeiten und Praktika, die sich insbesondere bei Berufsanfängern aneinanderreihten.

Selbst wenn bei einigen Tarifverträgen Lohnsteigerungen festgestellt würden, spiele das keine Rolle mehr, da sich immer mehr Unternehmer Flächentarife kündigen.

Er plädierte für einen gesetzlichen Mindestlohn von 9,20 Euro in der Stunde. Auf die Frage unserer Zeitung, ob die Kirche sich nicht zu weit aus dem Fenster lehne, wenn sie sich mit Tarifpolitik befasse, unterstrich der Seelsorger: „Christen müssen politisch sein, wir müssen für Veränderungen er Strukturen kämpfen und gangbare Wege aufzeigen“. sz