Zum Inhalt springen

Mitbestimmung im Betrieb: Man muss sich was trauen

Datum:
Veröffentlicht: 20.4.15
Von:
Norbert Feulner

Mitbestimmung in einer Demokratie sollte eigentlich selbstverständlich sein. Frank Leibig hat daran Zweifel. „Es gibt keine echte Mitbestimmung“, sagt der Referent bei einer Veranstaltung für Personal- und Betriebsräte in Herrieden. Nur noch für einen relativ kleinen Teil der Arbeitnehmerschaft im Bergbau und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie gibt es noch eine vollparitätische Mitbestimmung.

Dieser ernüchternde Befund begegnet den anwesenden Arbeitnehmervertretern auch in der Praxis. Bei der sehr gut besuchten Veranstaltung des Evangelischen Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt, der Katholischen Betriebsseelsorge und des DGB Mittelfranken sagt ein Teilnehmer: „Mitdenken ist nicht erwünscht.“

Warum sich Arbeitgeber mit gewählten Arbeitnehmervertretern und Gewerkschaftern häufig so schwer tun, hängt damit zusammen, dass „Arbeitgeber durch Mitbestimmung ihren Herr-im-Haus-Standpunkt in Frage gestellt sehen und Entscheidungen verlangsamt würden“, sagt der Referent von ver.di Mittelfranken. Als Beleg dafür nennt Leibig, dass der Verstoß bei den Beteiligungsrechten bei 80 Prozent liege.

Mitbestimmung gibt es nicht zum Nulltarif und bindet auch Personal.

„Dafür sind mitbestimmte Betriebe produktiver, die Krankheitsrate ist deutlich niedriger, es gibt weniger Probleme bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter und es gibt keine oder weniger Image-Probleme“, gibt Leibig den aktuellen Forschungsstand wider.

Bestätigt wurde von den Teilnehmern, dass manche Arbeitgeber versuchen einen Keil zwischen Arbeitnehmervertretern und Belegschaft zu treiben und gezielt das Ansehen von Betriebs- oder Personalratsmitgliedern attackiert würde. „Auch kleine Nadelstiche wirken“, sagt Leibig.

Besonders aggressive Arbeitgeber übersäen Betriebsräte mit einer Prozesswelle, bis hin zur Kündigung mit aller Gewalt, was mittlerweile ein lukratives Geschäft für Anwälte geworden sei. Auch hier in der Region Mittelfranken werden entsprechende Seminare Angeboten. „Dass quasi ‚Betriebsrats-Behinderung’ hier vor Ort geschult werden soll, kann nicht akzeptiert werden. Betriebsräte müssen ihre Aufgabe ungehindert erfüllen können“, sagt Geschäftsführer Stephan Doll vom DGB Mittelfranken.

„Betriebsräte sind aber nicht wehrlos“, sagt Referent Leibig. Neben den rechtlichen Möglichkeiten der Gegenwehr brauche es viel Einsatz, weil man sonst nicht gewinnen könne. „Es hängt vor allem davon ab, was man sich traut, und da hilft vor allem die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft“, ermutigt Leibig die Teilnehmer aus verschiedenen Branchen in der Region West-Mittelfranken.

„Betriebs- und Personalräte sind hart gefordert. Sie sind das Salz der Erde, um Wirtschaft und Arbeit ein rechtes Maß zu geben. Dabei gehört Mitbestimmung im Betrieb zur Würde und dem Recht der Arbeitnehmer.

Arbeitgeber müssen wissen, dass das Eigentum nicht das Recht zur uneingeschränkten Herrschaft über den Menschen einschließt“, sagt Sozialsekretär Norbert Feulner vom Evangelischen Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt.