Zum Inhalt springen

"Mobbing macht nämlich krank"

Datum:
Veröffentlicht: 18.1.10
Von:
Carsten Höllein - Coburger Tagblatt

Fritz Hübschmann von der katholischen Betriebsseelsorge betreut und stabilisiert Menschen, die sich von Kollegen tyrannisiert fühlen. Der Pädagoge empfiehlt den Unternehmen Präventionsmaßnahmen.

Hänseleien, Lästereien, Schikanen, Ausgrenzung. Die Palette an Möglichkeiten, einen Menschen seelisch zu verletzen, ist umfangreich. Der Rat zur Gegenwehr verpufft, wenn es sich dabei um „Täter“ handelt, mit denen der Betroffene tagtäglich zu tun hat und zur Kooperation mit ihnen gezwungen ist: Am Arbeitsplatz erscheint es schwierig, sich wirksam den Attacken der Kollegen zu entziehen.

IM GESPRÄCH Fritz Hübschmann von der katholischen Betriebsseelsorge betreut und stabilisiert Menschen, die sich von Kollegen tyrannisiert fühlen. Der Pädagoge empfiehlt den Unternehmen Präventionsmaßnahmen.

Coburg — Hänseleien, Lästereien, Schikanen, Ausgrenzung. Die Palette an Möglichkeiten, einen Menschen seelisch zu verletzen, ist umfangreich. Der Rat zur Gegenwehr verpufft, wenn es sich dabei um „Täter“ handelt, mit denen der Betroffene tagtäglich zu tun hat und zur Kooperation mit ihnen gezwungen ist: Am Arbeitsplatz erscheint es schwierig, sich wirksam den Attacken der Kollegen zu entziehen.

„Haben solche schädliche Handlungen systematischen Charakter spricht man von Mobbing“, erklärt Fritz Hübschmann von der katholischen Betriebsseelsorge in Bamberg. Seit 2006 hat sie in der Erzdiözese den Auftrag, sich um Mobbingopfer zu kümmern. Der Pädagoge Hübschmann nimmt sich in einer dieses Tätigkeitsfeldes auch in der Region Coburg an.

Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht die Frage „Wie geht es den Menschen?“ Dabei ist die Wahrnehmung des Betroffenen wichtig. Dieser fühlt sich Übergriffen ausgesetzt und ist gesundheitlich angeschlagen. „Mobbing macht nämlich krank.“ Die Beratung startet mit einer Bestandsanalyse. „Wo und wie oft findet der Psychoterror am Arbeitsplatz statt?“ will der Berater zum Beispiel wissen. Entscheidend ist, ob ein System dahinter steckt. Ein eindeutiges Indiz für Mobbing ist, wenn der Betreffende keinen Einfluss mehr darauf hat, ob er Anfeindungen, Intrigen und anderen Bösartigkeiten ausgesetzt ist. „Er oder sie können sich verhalten, wie sie wollen, es ändert sich nichts.“ Möglichen Einwänden, bei den Klagenden handle es sich meist um zu empfindliche Menschen, die den Härten des beruflichen Alltags nicht gewachsen sind, baut der Berater vor: „Die Mobbing-Opfer weisen keine psychischen Gemeinsamkeiten und Merkmale auf.“ Sie kommen aus verschiedenen Bereichen, weisen unterschiedliche Charaktere und Konstitutionen auf. Häufig ist das Thema Mobbing so Raum greifend, dass Betroffene über nichts anderes mehr nachdenken. Die Folgen für sie und ihre Umwelt sind frappierend: „Sie beschäftigen sich nur noch damit, ziehen sich zurück, sprechen nicht mehr.“ Die Leistungsfähigkeit geht zurück, Partner und die Familie leiden mit.

Erstes Ziel der Beratung ist, die Menschen zu stabilisieren, damit sie den Alltag wieder bewältigten können. Das Selbstbewusstsein und –wertgefühl muss gestärkt werden. Hübschmann versucht, Ängste von Arbeitnehmern, die Beratungsstelle aufzusuchen, zu nehmen. Aus diesem Grund sichert er seinen Klienten Vertraulichkeit zu. „Ich unterliege der Schweigepflicht.“ Je nach konkreter Situation bietet die katholische Betriebsseelsorge Beratung und Begleitung in psychischer, sozialer und rechtlicher Hinsicht. Kontakte zu Ärzten, Therapeuten, Mediatoren, Rechtsanwälten und anderen Fachberatungen unterstützt die Beratungsstelle oder stellt sie her. Was im Einzelfall hilfreich und notwendig ist, wird im persönlichen Gespräch geklärt. In einigen schweren Fällen ist wochenlanges therapeutisches Training notwendig, damit der Klient soziales Verhalten wieder normalisiert und den Kopf freibekommt. Am Ende einer Beratung kann auch der Vorschlag stehen, den Arbeitsplatz zu wechseln. Ein solches Vorgehen anzuraten ist kein leichtes Unterfangen. „Vor allem in Zeiten von Stellenabbau keine einfache Entscheidung.“ In Absprache mit den Betroffenen führt Hübschmann auch Gespräche im Betrieb mit den Konfliktparteien. Eine Hilfeplanung mit der Unternehmensführung könne dabei hilfreich sein. Dies ist aber nur möglich, wenn die Abteilungs- oder Betriebsleitung zustimmt. Ein „heißes Eisen“, wie Hübschmann einräumt. Denn der Pädagoge vertritt eine Ansicht, die kein Vorgesetzter gerne hört: „Mobbing ist systemimmanent, kommt es dazu, dass ist es nicht ein Problem zwischen zwei oder mehr Menschen, sondern dann stimmt es im Betrieb nicht.“

Mit solchen Bewertungen macht sich Hübschmann nicht nur Freunde. Welche Firma gesteht schon gerne ein, dass Klima und Strukturen nicht passen? Allen Widerständen zum Trotz will Hübschmann in Unternehmen das Bewusstsein für Mobbing schärfen. Davon profitiert nicht nur das Personal, sondern auch der Betrieb selbst: Eine Investition in die Prävention könnte sich auszuzahlen: Mitarbeiter sind mehr motiviert und fallen weniger aus, wenn sie gerne zur Arbeit kommen. Info und Kontakt

Weitere Informationen zum Thema gibt es unter www.arbeitnehmerpastoral-bamberg.de/mobbingberatung/index.html 

Telefon: 0951/9169123 oder E-Mail: mobbingberatung@arbeitnehmerpastoral-bamberg.de