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Nachhilfe bei der katholischen Soziallehre

1. Mai 2016
Datum:
Veröffentlicht: 17.5.16
Von:
Brigitte Pich / Heinrichsblatt Bamberg

Katholische Arbeitnehmerbewegung beteiligte sich an Kundgebung zum Tag der Arbeit in Forchheim

Unter dem Motto: "Zeit für mehr Solidarität" fand Dr. Manfred Böhm, Leiter der Betriebsseelsorge iim Erzbistum Bamberg, deutliche Worte auf der Kundgebung zum 1. Mai in Forchheim.
Dr. Manfred Böhm

Prekäre Beschäftigung, Leiharbeit,Niedriglöhne, Senkung des Spitzensteuersatzes, Hartz IV, Rente mit 67 und vieles mehr: das sind die Symptome eines neoliberalen Kapitalismus, für den zuallererst die Renditen im Mittelpunkt stehen. Unter dem Motto: „Zeit für mehr Solidarität“ fand Dr. Manfred Böhm deutliche Worte auf der Kundgebung zum 1. Mai in Forchheim. Der Leiter der Betriebsseelsorge Erzbistum Bamberg stellte heraus, dass Solidarität mehr als eine persönliche Haltung ist. Solidarität braucht eine strukturelle Ausrichtung.  Es brauche eine gesellschaftliche Grundsolidarität, damit Gesellschaft überhaupt funktioniere. Die Stärkeren setzen sich ein für Schwächere, die Reicheren für die Ärmeren, die weniger Kranken für die häufiger Kranken, die die Arbeit haben für die Arbeit Suchenden. Doch gebe es bereits eine weit fortgeschrittenere Spaltung zwischen  Reichgewordenen einerseits und den Armgemachten und Armgehaltenen unserer Gesellschaft andererseits. Dazu warf Böhm einen Blick auf Zahlen, der „den Skandal aber eigentlich gar nicht richtig spürbar machen kann:“ In Deutschland nenne das reichste Promille der Bevölkerung gut 17 Prozent des Gesamtreichtums von rund neu Billionen Euro sein eigen. Die reichsten zehn Prozent besitzen zwei Drittel des gesamten Vermögens, die ärmsten 50 Prozent hingegen nur 2,5 Prozent. „Was ist das für ein Land, was ist das für eine politische Führung, wenn eine solche Spaltung seit vielen Jahren ohne echte Gegenwehr als scheinbar gottgegeben einfach so hingenommen wird“, fragte der Betriebsseelsorger und empfahl „nachdrücklich sozialethische Nachhilfe bei der Katholischen Soziallehre. Dort heißt es klar und unmissverständlich: Die Erde ist für alle da nicht nur für die Reichen“. Privateigentum sei also kein unbedingtes und unumschränktes Recht. „Das gilt es in den Politischen Alltag zu übersetzten.“ Nur ein funktionierender Sozialstaat garantiere den inneren Frieden. Ein Abspecken des Sozialstaates bis hin zur Magersucht sei gefährlich. In seinem Blick auf die mehr denn je notwendige Solidarität vor allem mit Menschen im Niedriglohnsektor und Hartz IV-Empfängern schloss Böhm Flüchtlinge nicht aus und betonte, dass Menschen nicht gegen einander ausgespielt werden dürften. Als Christen dürften wir es niemals hinnehmen, dass es Menschen erster und zweiter Klasse geben soll. Der Frage nach der Finanzierbarkeit entzog sich der Betriebsseelsorger nicht und verwies unter anderem auf die Wiedereinführung einer allgemeinen Vermögenssteuer, die rund 15 Milliarden zusätzliche Einnahmen brächte, oder auf die  Finanztransaktions-steuer – die eigentlich schon lange eingeführt sein sollte – und pro Jahr mit rund 45 Milliarden zusätzlich zu Buche schlagen würde. Neben seinem kritischen Blick auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen fand Böhm auch deutliche Worte zu den geplanten Freihandelsabkommen zwischen  EU und den USA sowie EU und Kanada, TTIP und CETA. Dabei gäbe es einiges zu bemängeln, doch gehe es neben Chlorhühnchen und Hormonfleisch um viel Grundlegenderes. „Letztlich geht es schlichtweg um das Betriebssystem unserer Gesellschaft, es geht um unsere demokratische Ordnung“, machte Böhm deutlich. Diese sei gefährdet durch den vorgesehenen Schutz der Investoren und dem dafür vorgesehen Sonderklagerecht: außerhalb der bestehenden Justizordnung, in einem intransparenten,  privaten System. Dort würden die Urteile nicht von Gerichten gesprochen, sondern von drei Juristen aus dem Privatsektor. Die Unabhängigkeit dieser Rechtsprechung, eine Rechenschaftspflicht  oder eine Revisionsmöglichkeit sind nicht vorgesehen. „Das Freihandelsabkommen höhlt die Demokratie und die  Rechtsstaatlichkeit aus“, betonte Böhm. Auch im Wortgottesdienst, der der Kundgebung vorausgegangen und von den Mitgliedern der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) mitgestaltet worden war, thematisierten der evangelische Dekan Günther Werner und KAB-Kreispräses Pfarrer Klaus Weigand das Motto zu mehr Solidarität. Dabei machten sie vor allem auf den notwendigen Sonntagsschutz aufmerksam. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sei es wichtig den Sonntag zu schützen, der zum Christentum und zu unserer Kultur gehört. Der Sonntag sei als Zeit der Ruhe und Besinnung eine Chance. Auch die Wirtschaft trage Verantwortung für die Schöpfung, für Mensch und Natur. An der Kundgebung, zu der auch Forchheims neuer Bürgermeister Uwe Kirschstein ein Grußwort sprach, beteiligten sich verschiedene Verbände und Gewerkschaften, wie KAB, Verdi oder die Grünen mit Info-Ständen.

 

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Katholische Arbeitnehmerbewegung beteiligte sich an Kundgebung zum Tag der Arbeit in Forchheim Nachhilfe bei der katholischen Soziallehre Auf Ausgrenzung, Existenzbedrohung bis in die Mittelschicht hinein und prekäre Beschäftigungsverhältnisse hat die Aktion der Arbeitsloseninitiativen des Erzbistums aufmerksam gemacht. Wie mit dem Besen deutlich gemacht werden sollte, erleben Hartz IV-Empfänger pauschale gesellschaftliche Schuldzuweisungen für ihr angeblich individuelles Versagen als ein Getriebenwerden. Die GängelungSchwächerer werfe kein gutes Licht auf unsere Gesellschaft. Viele  Informationen nicht nur zum Sonntagsschutz gab es am Stand der Katholischen Arbeitnehmerbewegung.

1. Mai 2016  Kundgebung Forchheim