Nürnberg: Karstadt-Mitarbeiter geschockt über Schließungspläne

Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof haben an ihrem Arbeitsplatz Höhen und Tiefen erlebt und ihrem Arbeitgeber immer die Treue gehalten. An der Sanierung 2004 haben sie kräftig mitgewirkt, indem sie sogar auf Lohn verzichtet haben. Die Ankündigung, dass beide Nürnberger Filialen – in der Innenstadt und im Frankenzentrum Langwasser – zum 31. Oktober geschlossen werden sollen, traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Kampflos wollen weder die Stadt Nürnberg, noch Gewerkschaft und Betriebsrat die Management-Entscheidung hinnehmen. Die katholische Betriebsseelsorge im Erzbistum Bamberg steht in diesen Tagen fest an der Seite der Belegschaft.
Solidaritätsschreiben
„Soziale Verantwortung statt Kahlschlag“ titelt das Solidaritätsschreiben, das die Betriebsseelsorger Barbara März (Region Nürnberg), Norbert Jungkunz (Region Bamberg), Eckhard J. Schneider (Region Kronach) auf ihre Homepage gestellt haben. Darin skizzieren sie die Angst und Ungewissheit der Beschäftigten, die seit Wochen um ihren Arbeitsplatz bangen und jetzt zusätzlich zu den Corona-Belastungen befürchten, in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. Und sie versichern ihnen, dass sie nicht alleine sind: „Als Katholische Betriebsseelsorger im Erzbistum Bamberg kennen wir die Ängste und Sorgen von den Beschäftigten in Krisensituationen. So gilt in diesen Tagen und in diesen schwierigen Zeiten unsere besondere Solidarität und Unterstützung im Kampf um die gefährdeten Arbeitsplätze.“
Barbara März, katholische Betriebsseelsorgerin in Nürnberg, hat gute Kontakte zu Betriebsrat und Gewerkschaften. „Wir begleiten den Karstadt-Betriebsrat seit Jahren“, betont sie, regelmäßige Treffen bei der Gewerkschaft gehören zum Arbeitsalltag. Es sei ihnen allen klar gewesen, dass es Konsequenzen aus der Schieflage geben werde, so März, die im April als Rednerin auf der Betriebsversammlung eingeplant war – die dann wegen Corona abgesagt wurde.
Sie umreißt die Lage in Nürnberg. Rund 350 Mitarbeiter wären von der Schließung betroffen, darunter viele Teilzeitbeschäftigte, langjährige Betriebsangehörige, die bei der ersten Insolvenz fest zum Unternehmen gehalten hätten, inklusive Lohnverzicht, wobei sich das auf Rente und Arbeitslosengeld negativ auswirke. Viele seien über 50 Jahre alt, zum Teil hätten sie 40 Jahre und mehr bei Karstadt gearbeitet. „Für jeden Einzelnen ist das eine Katastrophe“, sagt die Seelsorgerin und gibt zu bedenken, dass es für die meisten gerade in Corona-Zeiten schwierig sein dürfte, einen neuen Job zu finden.
Das scheint die Entscheidungsträger nicht zu interessieren. Schon in vergangenen Krisenzeiten sei ihnen außer Personalabbau nichts eingefallen, wird moniert. Und auch jetzt gehe es nur ums Geld. Das Problem seien die hohen Mieten für die Standorte, die durch die Corona-bedingten Umsatzeinbrüche gemessen am Umsatz offenbar drastisch gestiegen sind. So macht der Mietaufwand laut Gewerkschaft statt der üblichen zwölf oder 13 Prozent Anteil inzwischen 20 Prozent des Umsatzes aus.
Stadtspitze will retten
Die Nürnberger Stadtspitze will die Karstadt-Häuser unbedingt retten. Besonders die Innenstadtfiliale vor der Lorenzkirche ist ein normalerweise umsatzstarkes und beliebtes Haus. OB Marcus König und Wirtschaftsreferent Michael Fraas haben Briefe geschrieben, wollen mit den Eigentümern der Karstadt-Immobilien Gespräche führen, mit dem Ziel, eine Mietsenkung zu erreichen. Ansprechpartner wären für die Frankenzentrum-Filiale die Hamburger ECE Projektmanagement GmbH. Das renommierte Innenstadtwarenhaus gehört formell der Frankfurter RFR Holding GmbH beziehungsweise deren amerikanischen Mutter. Faktisch aber einem Immobilienfonds, der wiederum Teil einer verschachtelten Fonds-Struktur sei, erklärt der Wirtschaftsreferent. Die Gespräche dürften da schwierig werden.
Wie die Belegschaft reagierten ebenso die Kunden geschockt auf die Schließungspläne. Sie strömten am Wochenende verstärkt in die Karstadt-Häuser, suchten das Gespräch mit den Verkäufern. Auch sie können und wollen sich nicht vorstellen, dass es in Nürnberg keinen Karstadt mehr geben soll. Eine Hängepartie für alle Beteiligten.
Soziale Verantwortung
Das allerletzte Wort ist noch nicht gesprochen, und „die Hoffnung stirbt zuletzt“, weiß Barbara März. In solchen Situationen könnten Betriebsseelsorger die Betroffenen nur wissen lassen, dass sie mitgehen, da sind und ein offenes Ohr für sie haben, ihnen versichern, sie treffe keine Schuld. Sie für unternehmerische Fehlentscheidungen büßen zu lassen, findet sie wie ihre Betriebsseelsorge-Kollegen unfair. Im Solidaritätsschreiben betonen sie, dass die Corona-Krise Unternehmen nicht von ihrer sozialen Verantwortung entpflichte, und drängen auf einen sozialverantwortlichen respektvollen Umgang mit der Belegschaft. Der Mensch steht im Mittelpunkt allen wirtschaftlichen Bemühens, heißt es weiter, weshalb die Katholische Betriebsseelsorge im Erzbistum Bamberg alle Verantwortlichen auffordert, bei schwierigen betrieblichen Herausforderungen wie der aktuellen die Sorge um den Menschen und die Sorge der Menschen in den Vordergrund zu stellen.
