Potentiale wecken, entfalten und stärken

25 Jahre Ökumenisches Arbeitslosenzentrum in Nürnberg
Nürnberg - Seit 25 Jahren besteht das Ökumenische Arbeitslosenzentrum (ÖAZ) in Nürnberg. Die kirchliche und unabhängige Beratungsstelle für arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen stellt an diesem Wochenende ihr Jubiläum unter ein Wort des Propheten Amos: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach“.
Als die beiden großen Kirchen vor einem Vierteljahrhundert das Arbeitslosenzentrum in ökumenischer Trägerschaft ins Leben riefen, gingen sie nicht von einer Dauereinrichtung aus. Doch heute zeige sich, so der Vorsitzende des Träger-Kuratoriums, Wolfgang Tereick von der Stadtmission Nürnberg, dass die unbürokratische und offene Anlaufstelle noch genauso notwendig sei wie 1985.
Getragen wird das ÖAZ von einem Trägerbündnis, nämlich vom evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk, der katholischen Betriebsseelsorge der Erzdiözese Bamberg, der Katholischen Stadtkirche Nürnberg und der Stadtmission Nürnberg. Die Stadt Nürnberg fördert die Einrichtung.
Rechtsansprüche durchsetzen
Menschen zu ihrem Recht verhelfen – das bedeutet konkret: Hilfestellung bei der Durchsetzung von Rechtsansprüchen, Beratung in sozialrechtlichen Fragen sowie Unterstützung bei der Bewältigung von Arbeitslosigkeit durch gezielte Gruppenangebote.
Insgesamt 2601 Beratungen führte das ÖAZ-Team im vergangenen Jahr durch, 1173 KlientInnen weist die Statistik aus. „Damit sind unsere Kapazitäten ausgereizt“, betonen die Sozialpädagoginnen Martina Beckhäuser und Dagmar van der Heusen sowie ihr Kollege, der Diplom-Pädagoge Bernd Eckardt. „Die Nachfrage ist sehr hoch.“ Wenn keine besondere Dringlichkeit gegeben ist, müssen Ratsuchende mitunter Wartezeiten von fast vier Wochen in Kauf nehmen.
Die Einführung des SGB II habe die Situation zusätzlich verschärft, blicken die Berater zurück. In den letzten Jahren sei es dadurch zu „einer erheblichen Steigerung“ des sozialrechtlichen Beratungsbedarfs gekommen. Im Beratungsalltag gehören sozialrechtliche und psychosoziale Beratung ohnehin zusammen. „Sozialrechtliche Beratung ist im ÖAZ Bestandteil der psychosozialen Beratung“, heißt es im letzten Jahresbericht.
„Die Menschen fühlen sich oft als Spielball behördlicher Willkür, sie haben das Vertrauen verloren, dass alles rechtmäßig zugeht“, meint Eckardt. So habe beispielsweise eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern im Laufe eines Jahres „200 Seiten rechtliche Post von der Arge“ erhalten. Eckardt und seine Kolleginnen klären auf, leisten „Übersetzungsarbeit“, fragen bei Behörden nach und sprechen mit Sachbearbeitern von der Arge.
Alle Altersstufen seien in der Einzelberatung vertreten, berichten die ÖAZ-Mitarbeiter. „Neu für mich ist aber, dass jetzt auch Menschen kurz vor der Rente kommen“, sagt Dagmar van der Heusen. Durch Hartz IV müsse auch die ganze „Bedarfsgemeinschaft“ in den Blick genommen werden, so Martina Beckhäuser.
Die Sozialpädagoginnen kann man fast als „Frauen der ersten Stunde“ bezeichnen, seit 1991 beraten sie im ÖAZ. Diplom-Pädagoge Eckhardt kam vor zehn Jahren hinzu. Seit September 2010 verstärkt der Sozialpädagoge Tim Brügmann das Team, seine auf ein Jahr befristete Projektstelle wurde von den beiden Kirchen als Solidaritätsaktion für arbeitslose Menschen in Nürnberg geschaffen und aus der diesjährigen Fronleichnamskollekte mitfinanziert.
Ende Oktober wurde ein Rückgang der Arbeitslosenzahlen unter die 3-Millionen-Marke verkündet. Doch für Euphorie sieht das ÖAZ-Team keinen Anlass. Die offizielle Statistik zähle doch all die Menschen nicht mit, die gerade einmal in Maßnahmen oder als sogenannte Ein-Euro-Jobber beschäftigt sind, merken die Berater an.
Gruppenprogramm
Seit der Gründung im Jahre 1985 spielt die Gruppenarbeit eine wichtige Rolle. Obgleich die dafür vorgesehene halbe Sozialpädagoginnen-Stelle im Rahmen der Haushaltskonsolidierung der Erzdiözese Bamberg gestrichen wurde, führt das Team „mit einem erheblichen Maß an Eigenengagement“ das Gruppenangebot fort, heißt es im letzten Jahresbericht. Denn Arbeitslosigkeit, das wissen die Berater, bedeutet Stress, kann eine Sinnkrise auslösen. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes brechen soziale Bezüge weg, der Glaube an die eigenen Fähigkeiten schwindet…
„Nicht nur in der Einzelberatung sondern auch in der Gruppenarbeit geht es uns darum, die individuellen Potentiale unserer KlientInnen zu wecken, zu entfalten und zu stärken“, unterstreichen die Berater. 2009 fanden an 103 Tagen Gruppenangebote statt, von der Deutsch-Konservation für MigrantInnen über Englischkurse bis hin zu Mal-Workshops. Manche Teilnehmer kamen dadurch wieder in Kontakt mit ihren Stärken und fanden eine neue Arbeitsstelle.
Kontakt:
Ökumenisches Arbeitslosenzentrum (ÖAZ),
Jakobstraße 52
90402 Nürnberg
Tel. 0911/209835 oder 0911/20713
E-Mail: oeaz-nuernberg@t-online.de