TTIP widerspricht der christlichen Ethik
Die katholische Betriebsseelsorge in Deutschland sieht die derzeit laufenden Verhandlungen mit größter Sorge. Aus unserer Sicht widersprechen zahlreiche sich abzeichnende Tendenzen grundsätzlich den Aussagen der katholischen Soziallehre und deren fundmentalen Prinzipien der Personalität, Subsidiarität und Solidarität. Es ist zu befürchten, dass die Verhandlungen im Ergebnis zu einer weiteren Verschlechterung der Situation arbeitender und arbeitssuchender Menschen und der Lebensbedingungen kommender Generationen führen.
TTIP stärkt nach gegenwärtigem Stand allein den Einfluss und die Handlungsmöglichkeiten von Wirtschaftsunternehmen. Dabei wird einseitig davon ausgegangen, dass wirtschaftliches Wachstum und wirtschaftlicher Erfolg von Unternehmen auch den Menschen und der Gesellschaft nützt. Diese Perspektive ist wissenschaftlich und empirisch fragwürdig. Wenn Investoren Einfluss nehmen auf politische Entscheidungen, so wie es im Rahmen von TTIP vorgesehen ist und solange „regulatorische Kooperation“ auf Minimalisierung von Schutzstandards hinauslaufen kann, verletzt dieses Abkommen den Grundgedanken der Personalität, dass Wirtschaft dem Menschen dienen muss, nicht umgekehrt.
Erkennbar ist nach Auffassung der Betriebsseelsorge auch, dass TTIP vor allem großen und größten Unternehmen und Konzernen hilft, ihre Investitions- und Marktmacht durchzusetzen. Wenn aber reine Marktmacht über Vergabeverfahren und Vertragsabschlüsse entscheidet, wird der grundlegende Gedanke der Subsidiarität als gesellschaftlicher Stabilisierungsfaktor untergraben. TTIP hat gerade zum Ziel, möglichst uniforme Bedingungen für wirtschaftliches Handeln zu schaffen. Dies widerspricht aber der demokratisch und gesellschaftlich notwendigen Anpassung von wirtschaftlichem Handeln an die Gegebenheiten vor Ort. Individuell und auf kommunaler Ebene gehen so Gestaltungsspielräume verloren.
Faktisch sind die Gewerkschaften in den USA in der Defensive, streben republikanische Gouverneure und Präsidentschaftskandidaten die weitere Schwächung der Gewerkschaften an. Folgerichtig sind auch in Europa weitere Bestrebungen unübersehbar, die Koalitionsfreiheit einzuschränken und Streikrecht stärker zu reglementieren. Konsequenz von TTIP ist nach Wahrnehmung der Betriebsseelsorge weiterer Druck auf die Solidarität als Schutzprinzip arbeitender Menschen gegen Ausbeutung und totale Ökonomisierung der Arbeitswelt.
Über diese, aus Sicht der Betriebsseelsorge zentralen, Punkte hinaus, gibt es zahlreiche Aspekte, die das Entstehen und die gesellschaftliche Verträglichkeit von TTIP fragwürdig erscheinen lassen. Daher sieht sich die Betriebsseelsorge als Teil der TTIP-kritischen Initiativen und unterstützt und bekräftigt ausdrücklich die Erklärung zahlreicher Verbände und Gewerkschaften „Für eine Handelspolitik im Interesse der Menschen und der Umwelt“ vom 30. Januar 2015. Die Katholische Betriebsseelsorge fordert die Verantwortlichen der EU und der Bundesregierung auf, sofort für eine vollständige Transparenz von Verhandlungsprozess und Verhandlungsständen bei TTIP zu sorgen. Die Preisgabe von erreichten oder angestrebten Standards bei Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz und bei den Arbeitnehmerrechten zugunsten von Gewinnmaximierung muss im dauerhaft und zuverlässig verhindert werden.
Resolution der Betriebsseelsorge der katholischen Kirche einstimmig beschlossen auf der Bundesfachtagung der Betriebsseelsorge am 21.05.2015 in Bamberg