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„Verraten, verkauft und fallen gelassen“

Datum:
Veröffentlicht: 30.3.12
Von:
Kath. Betriebsseelsorge

Die Verlierer der Schlecker-Insolvenz sind in allen Belangen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Die Entscheidung gegen eine Transfergesellschaft für die Schlecker-Beschäftigten ist gefallen. Damit folgt für rund 11 000 Beschäftigte die fristlose Kündigung. Als Betriebsseelsorge sind wir entsetzt über die unmittelbaren Folgen für die Betroffenen und über den Hergang dieser Entscheidung. Dies umso mehr, als dass wir seit Wochen in engem Kontakt zu der Belegschaft in verschiedenen Filialen auf dem Gebiet des Erzbistums und deren Arbeitnehmervertretern stehen.

Stellungnahme der Betriebsseelsorge im Erzbistum Bamberg zur Insolvenz der Firma Schlecker angesichts der gescheiterten Bürgschaft für eine Transfergesellschaft als Unterstützung für die von Entlassung betroffenen Schlecker-Beschäftigten

Die Entscheidung gegen eine Transfergesellschaft für die Schlecker-Beschäftigten ist gefallen. Damit folgt für rund 11 000 Beschäftigte die fristlose Kündigung. Als Betriebsseelsorge sind wir entsetzt über die unmittelbaren Folgen für die Betroffenen und über den Hergang dieser Entscheidung. Dies umso mehr, als dass wir seit Wochen in engem Kontakt zu der Belegschaft in verschiedenen Filialen auf dem Gebiet des Erzbistums und deren Arbeitnehmervertretern stehen.

Es ist eine Katastrophe und eine menschliche Tragödie. Monatelang bangten tausende Kolleginnen um ihren Arbeitsplatz, hunderte Filialen wurden geschlossen. Jetzt ist unmissverständlich klar: Rund 11 000 Kolleginnen werden bundesweit ab dem 1.4.2012 nicht mehr im Unternehmen beschäftigt sein.Mit Hochdruck haben der Gesamtbetriebsrat wie auch die Betriebsräte vor Ort daran gearbeitet, mit Hilfe der Gewerkschaft und im Gespräch mit dem Insolvenzverwalter die Folgen jahrelangen Misswirtschaftens von Schlecker menschlich irgendwie aufzufangen.

Um den freien Fall von tausenden Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit zu verhindern, kämpfte die Belegschaft bis heute für die Einrichtung einer Auffanggesellschaft als wichtige Hilfestellung und Chance für alle Frauen, die nicht mehr bei Schlecker arbeiten dürfen. Dabei war und ist klar: Ohne Auffanggesellschaft ist es um ein vielfaches schwerer, eine neue Existenz sichernde Stelle zu finden: Der Einzelhandel zählt zu jenen Branchen, in denen sich ungebremst atypische Arbeitsverhältnisse etablieren und ordentliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hart erkämpft werden müssen. Existentielle Ängste, Enttäuschung und Wut sind daher mehr als berechtigt.

Schon Mitte März hat sich daher auch Erzbischof Dr. Ludwig Schick in einem Brief an die Betriebsrätinnen der Firma Schlecker für die Einrichtung einer Transfergesellschaft stark gemacht. Er hat ihnen den Rücken gestärkt, damit sie „das Bestmögliche für die Schleckerbeschäftigten erreichen“.

Statt klarer Ansage jedoch lieferten sich die Vertreter der politischen Lager über Wochen bis zur letzten Minute ein Gefecht, ob eine Bürgschaft für die Transfergesellschaft tatsächlich zu rechtfertigen ist.
Nun ist die Entscheidung durch Blockade der Länder mit FDP-Regierungsbeteiligung endgültig gefallen. Es wird keine Transfergesellschaft geben.

Mit großem Unverständnis und noch größerer Sorge nehmen wir als katholische Betriebsseelsorge die gesamte Vorgehensweise und die Entscheidung gegen die Bürgschaft zur Kenntnis: Wir sehen die menschliche Tragödie und die Tragweite, die sich hinter der Schaffung dieser Realität verbergen.
Denn die Gewährung eines Kredits für die Transfergesellschaft hätte menschlich weitaus mehr bedeutet als das, worüber endlos verhandelt worden ist. Das Wort „Kredit“ geht in seinem ursprünglichen Sinn auf „Glaube“ und „Vertrauen“ zurück. Die Bürgschaft wäre ein Zeichen von Vertrauen gewesen. Vertrauen nicht nur in Konzepte, sondern Vertrauen in die Menschen, die oft über Jahre gut gearbeitet haben. Die Transfergesellschaft ist als Instrument eine wichtige menschliche Hilfestellung für Beschäftigte, die völlig unverschuldet in höchst prekäre Lebenssituationen geraten. Diese Hilfe wurde nicht gewährt. Erneut wird stattdessen der Wert geleisteter Arbeit mit Füßen getreten. Die Personen, die hart und unter oft misslichen Arbeitsbedingungen gearbeitet haben, fühlen sich von der Politik allein gelassen. Sie sind die großen Verlierer der Misere.

Unsere Solidarität gilt in diesen Tagen daher zuerst und vor allem den nun definitiv von der fristlosen Kündigung betroffenen Kolleginnen sowie allen, die sich in den letzten Wochen und Monaten seitens der Arbeitnehmervertretung mit den Gewerkschaften für die Einrichtung einer Transfergesellschaft und für die Belange der Beschäftigten in dieser belastenden Situation eingesetzt haben. Wir wissen um die Not und Verzweiflung, um die existentiellen Ängste und die schlaflosen Nächte aufgrund der persönlichen Ungewissheit.

Unser Appell gilt dringlicher denn je allen Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik, jegliche Entscheidungen zuerst und vor allem aus der sozialen Verantwortung für die Beschäftigten und die Betroffenen zu fällen, denn „die Wirtschaft hat ausschließlich dem Menschen zu dienen“ (Populorum Progressio 26).