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Vom Domberg in die Welt der Druckluft

Betriebsbesuche Kaeser, 07.2017
Datum:
Veröffentlicht: 13.7.17
Von:
Christoph Scheppe, Neue Presse Coburg

Der Bamberger Erzbischof informiert sich beim Kompressorenhersteller Kaeser. Fazit: Wirtschaft und Kirche haben einige Gemeinsamkeiten.

Coburg – Seelsorge ist mehr als Seele. Das ist das Credo des Bamberger Erzbischofs Ludwig Schick. Deshalb ist es ihm wichtig, Einblicke in die Lebensumstände und Arbeitswelt der Menschen zu gewinnen. Dazu besucht er jährlich einen oder zwei Betriebe im Diözesanbereich, informiert sich über die Produktion und spricht mit Unternehmensleitung, Betriebsrat und Mitarbeitern. So geschehen am Montag beim Coburger Kompressorenhersteller Kaeser.

Nicht wenige Mitarbeiter sind überrascht, als der hohe Würdenträger der katholischen Kirche beim Rundgang plötzlich an ihrem Arbeitsplatz steht und sich die Tätigkeit erläutern lässt. Aus seinem Faible für Technik macht Schick keinen Hehl. Besonders beeindruckt ist er von der „hohen Präzision“ der Baugruppen, die, so Kaeser-Mitarbeiter Rene Enders, bis auf den Zehntausendstel Millimeter passgenau gefertigt werden. „Wir wollen unseren Kunden Druckluft zum besten Preis-Leistungsverhältnis und ständiger Verfügbarkeit liefern“, hatte zuvor Vorstandsvorsitzender Thomas Kaeser die Unternehmensphilosophie erläutert. Effizienz und Verfügbarkeit seien die Kriterien, die jede Neuentwicklung erfülle müsse, um in Serienfertigung zu gehen. Die Produktpalette sei inzwischen vielfältig und komme in nahezu allen Branchen zum Einsatz.

„Wir verwandeln elektrische Energie in Druckluft“, beschrieb Vorstandsmitglied Tina-Maria Vlantoussi-Kaeser das Geschäftsmodell des Coburger Traditionsbetriebs. Weltweit beschäftigt der Kompressorenspezialist 5500 Mitarbeiter, davon rund 1900 am Stammsitz in Coburg und weitere 300 im Werk Gera. Kaeser ist mit eigenen Niederlassungen und 50 Tochterfirmen in 140 Ländern präsent. Was heute unter dem Begriff „Industrie 4.0“ firmiere, habe Kaeser schon vor vielen Jahren mit der globalen digitalen Vernetzung aller zum Unternehmen gehörenden Bereiche realisiert. Der Datenaustausch, so Thomas Kaeser, erfolge nahezu in Echtzeit. „Das ist faszinierend“, kommentierte der Erzbischof Kenndaten und das weltweite Informationssystem.

Besonders viel Zeit verbringt Ludwig Schick in der Ausbildungswerkstatt. Hier trifft er auf Ayman Shanana, der – in Damaskus geboren und aufgewachsen – aus seinem Heimatland Syrien geflohen ist. Seit zwei Jahren absolvieren er und sein Bruder Ahmad bei Kaeser eine Ausbildung. Schick erkundigt sich nach den Angehörigen, will wissen, wie die Ausbildung läuft. „Ich muss noch etwas an meinem Deutsch arbeiten, aber sonst ist alles bestens“, schildert Ayman seine Situation.

Beim Gespräch mit dem Betriebsrat lobt der Erzbischof die Kaeser-Initiative, jeweils 20 Flüchtlingen und Jugendlichen aus Südeuropa die Chance auf eine Ausbildung zu geben, als „wichtigen Beitrag zur Globalisierung der Werte“.

Die Arbeitnehmervertretung berichtet, dass es bei der Suche nach sinnvollen Lösungen „hin und wieder zu Diskussionen“ mit der Unternehmensleitung kommt. „Ohne Spannung fließt kein Strom“, spricht Schick als Vorgesetzter von 7600 Mitarbeitern im Diözesanbereich von seinen Alltagserfahrungen. Das sei in der Kirche nicht anders als in einem Unternehmen. Wichtig seien aber „gute Gespräche“.

Betriebsratsvorsitzender Uwe Schubert verweist auf das seit Jahren anhaltende Wachstum bei Kaeser, das mit Überstunden zu einer Verdichtung der Arbeit führe und auf die Psyche gehe. „Und wenn dann noch private Probleme dazukommen, leidet die Gesundheit“, konkretisiert das Gremium.

Das will Thomas Kaeser so nicht stehen lassen: „Wir bieten ein umfangreiches Präventionsprogramm. Wo wir was tun müssen und können, wird auch gehandelt.“ Schließlich profitiere das Unternehmen von gesunden sowie körperlich und geistig fitten Mitarbeitern. Das sieht auch der Erzbischof so. Die Arbeitswelt sei schnelllebiger geworden, die Verdichtung nehme wie der Wunsch nach Freizeit zu. „Das beschäftigt mich auch“, sagt er und spannt erneut den Bogen zum „großen Betrieb Kirche“ im Diözesanbereich. Jede Trauung und Taufe sei heute individuell. „Das ist schön, aber auch belastend“, gibt er unumwunden zu.Seine Botschaft: „Das Paradies und Himmelreich werden wir hier auf Erden nicht bekommen.“