Wenn die Arbeit zur Hölle wird


Bamberg - Psychoterror am Arbeitsplatz: Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland erleben ihn Tag für Tag. Zunehmend mehr Beschäftigte klagen darüber, Mobbing-Angriffen von Kollegen oder Vorgesetzten ausgesetzt zu sein. Schikanen, Boshaftigkeiten, Intrigen gegen eine Person oder eine kleine Gruppe haben oftmals erhebliche Auswirkungen: Körperliche und seelische Erkrankungen sind die Folge, in schweren Fällen sogar dauerhafte Arbeitsunfähigkeit oder Selbstmord. Auch der wirtschaftliche Schaden durch Mobbing ist beträchtlich: Nach vorsichtigen Schätzungen kostet jeder Mobbing-Fall durch Versetzung, Abfindung oder rechtliche Auseinandersetzung das Unternehmen durchschnittlich 30 000 bis 50 000 Euro. Dazu kommen Kosten für Krankheitsbehandlung und mögliche Frühverrentung.
„Die Herdplatte abstellen“
Um Betroffenen einen Ausweg aus dem Teufelskreis weisen zu können, knüpfen in Bamberg Gewerkschaften und kirchliche Einrichtungen das „Netzwerk Mobbingprävention“. DGB, IG Metall, Verdi, der evangelische Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt, die KAB (Katholische Arbeitnehmer-Bewegung) und die Katholische Betriebsseelsorge tauschen sich über konkrete Fälle in der Bamberger Region aus oder organisieren Fortbildungen. Und sie bieten einen „Treffpunkt Mobbing“ an, in dem Hilfen und Konfliktlösungsstrategien entwickelt werden. Dabei geht es darum, „die Herdplatte abzustellen, statt Brandsalben zu verteilen“, bringt die Leiterin des Treffpunktes, Margarete Szpilok, die Einsatzmöglichkeiten auf einen Nenner. Die Diplom-Psychologin macht klar, dass Mobbing mehr ist als schlechtes Betriebsklima, schlimmer ist als gelegentlich ungerechte Vorgesetzte und belastender ist als der übliche Bürotratsch. Im „Treffpunkt“ haben Mobbing-Opfer die Chance, über die sie belastenden Quälereien am Arbeitsplatz zu reden und Mut zu schöpfen, sich selbst mit Impulsen für ein Leben ohne Dauerthema Mobbing wieder zu finden.
Margarete Szpilok geht dann auch in Betriebe, um mit Führungskräften und Betriebsräten eine Klärung der Situation herbeizuführen. Oft sind es strukturelle Mängel, die Mobbing begünstigen: in der Arbeitsorganisation, in starrer Hierarchie mit unsinnigen Anweisungen, in unklaren Verantwortungsbereichen. „Mobbing ist eine Betriebskrankheit“, macht Szpilok klar. Nicht das einzelne Opfer von Attacken sei die Ursache für Reibungsverluste.
So wie zum Beispiel Susanne Moser (Name von der Redaktion geändert), eine leitende Angestellte in einem Bamberger Betrieb. Sie war überdurchschnittlich qualifiziert, engagiert, erfolgreich bei Kunden. Ihrem schlecht ausgebildeten Vorgesetzten machte sie förmlich Angst und weckte Neidgefühle. Mit intensiver Kontrolle, kleinlicher Kritik, Vorenthalten von für ihre Arbeit notwendigen Informationen, mit Abmahnungsdrohungen bei Nichteinhaltung von selbst widersinnigen Anweisungen, Zuteilung von Aufgaben über die eigentliche Arbeitszeit hinaus versuchte er, sie klein zu halten. Monatelang. Susanne Moser hielt dem Druck nicht stand und erkrankte schwer. Sie kündigte selbst und ist heute erwerbsunfähig.
„Nicht jeder Streit ist Mobbing“
Oder Arbeitnehmer in sozialen Berufen: Sie seien besonders Mobbing gefährdet durch hohe emotionale Belastung, Schichtdienst, engem Kostenrahmen, schlechte Bezahlung, berichtet Margarete Szpilok. Mobbing mache auch nicht vor kirchlichen Einrichtungen wie Kindergärten und Altenheime halt. Bei dem eigenen Anspruch der Kirche, nächstenliebend dem Menschen verpflichtet zu sein, besonders bitter für die Betroffenen.
„Nicht jeder Anschiss vom Chef, nicht jeder Streit unter Kollegen ist schon Mobbing“, grenzt Werner Schnabel ab. Der Regionsvorsitzende Oberfranken-West des DGB weiß aber nur zu gut, dass Produktions- und Leistungsdruck in der Arbeitswelt, Rationalisierung, Angst um den Arbeitsplatz zugenommen haben. Wer dem vermeintlich im Wege stehe, werde systematisch über einen längeren Zeitraum „’rausgeekelt“. Kollegen oder Vorgesetzte würden sich auf diese Weise ein Stressventil suchen. Schnabel rät jedem Mobbing-Betroffenen, frühzeitig Beratung und Hilfe zu suchen, um wieder „Lust auf’s Leben“ zu gewinnen. Auch Fritz Hübschmann von der „Beratungsstelle gegen Mobbing“ der Katholischen Arbeitnehmerpastoral (Betriebsseelsorge) erlebt, dass das bloße Heraussprudeln aller Qualen vor einer neutralen Person schon Erleichterung bringen kann. Vor allem dann, wenn mit dem Gemobbten Perspektiven für ein gesünderes Leben eröffnet werden können, was in dem „Treffpunkt Mobbing“ auch geschieht.
„In Betrieben mit klaren Strukturen, mit einer guten Kommunikations- und Streitkultur, mit Mitspracherechten gibt es weniger Mobbing“, plädiert Hübschmann für Prävention. Der Diplom-Pädagoge und – Psychologe hält jedoch kein Patentrezept gegen Mobbing parat. Er appelliert vielmehr an die Zuschauer des Mobbinggeschehens: „Zeigen Sie Zivilcourage. Machen Sie nicht mit. Gebieten Sie unfairen Handlungen Einhalt.“
Hinweise
Termin Der nächste „Treffpunkt Mobbing“ findet am Mittwoch, 12. September, um 18.30 Uhr statt. Ort: Bamberg, Ludwigstraße 25, 1. Stock (Postgebäude gegenüber Bahnhof, Eingang Luitpoldtsraße). Unkostenbeitrag: 5 Euro. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Zentrale Ebenfalls in der Ludwigstraße 25 befindet sich die „Beratungsstelle gegen Mobbing“, Fritz Hübschmann. Anmeldung unter Telefon 0951/ 9169123, E-Mail: mobbingberatung@arbeitnehmerpastoral-bamberg.de
Beratung leistet auch Werner Schnabel, DGB-Regionsvorsitzender, Herzog-Max-Straße 44, 96047 Bamberg, Telefon 0951/ 2080066, E-Mail: werner.schnabel@dgb.de