„Zuhören ist das Wichtigste“

Betriebsseelsorger Martin Plentinger versteht sich als „kirchlicher Außendienst-Mitarbeiter“
Martin Plentinger scheint angekommen – in jeder Hinsicht. In seinem frisch renovierten Büro im Haus der Katholischen Stadtkirche in Nürnberg lehnt er sich auf seinem Bürostühl zurück und holt aus: Er erzählt von Doris, die für ihren kranken Kollegen einen Platz sucht, auf dem er noch eingeschränkt arbeiten kann. Er erzählt von Werner, der an der Schleifmaschine steht und mit den Gedanken bei seinem kürzlich verstorbenen Kollegen ist. Er erzählt von Konflikten in Betrieben, die die Arbeitsatmosphäre belasten und vergiften. Was er noch erzählt: dass er Gott nicht zu diesen Menschen in die Arbeitswelt bringen muss. Weil der immer schon da ist: zwischen all denen, die Stellenabbau und jahrelange Nullrunden ebenso beschäftigt wie Gehaltskürzungen und Abmahnungen. Die sich als Betriebsräte für andere einsetzen und um Gerechtigkeit kämpfen. Für die Menschlichkeit und Engagement am Arbeitsplatz selbstverständlich sind. „Da wird – auch außerhalb von Kirche – etwas vom Reich Gottes spürbar“, findet Plentinger.
Als Pastoralreferent bewegen ihn die Sorgen der Menschen. Seit September 2013 ist er einer von fünf Betriebsseelsorgern im Erzbistum Bamberg. Noch steckt er in den Anfängen seiner Aufgabe und konzentriert sich überwiegend auf Netzwerkarbeit, besucht die Menschen vor Ort in den Betrieben, begleitet Betriebsräte, arbeitet als „Mann der Kirche“ mit den Gewerkschaften zusammen. „Es ist wichtig, da präsent zu sein, wo die Leute sich treffen“, sagt der 52-Jährige. Also taucht er bei vielen Gelegenheiten auf, stellt sich vor, bringt sich ein und ins Gespräch. „Manchmal kommen Betriebsräte auf mich zu, und man kann gemeinsam anknüpfen an das, was an Problemen da ist und wo es Gesprächsbedarf gibt“, so Plentinger.
Thematische Veranstaltungen der Betriebsseelsorge ließen sich nicht aus der hohlen Hand anbieten, erzählt er; zunächst einmal sei ein Gespür nötig für das, was wirklich gebraucht wird und was die Menschen interessiert. Daher seien die Kontakte zu den Betrieben so wichtig und Teil seiner Aufgabe. Ebenso wie das Studieren des Wirtschaftsteils der Zeitung: „Damit ich weiß, wo ich ansetzen kann, muss ich Bescheid wissen, was insgesamt los ist, welche Ängste die Leute beschäftigen, wo es gerade schwierig ist“, sagt Plentinger. Dass er die Welt nicht retten kann, ist ihm klar. „Ich kann weder juristischen Rat bieten, noch Arbeitsplätze schaffen“, weiß er. „Doch ich bin da, wenn jemand mal was los werden will.“
Und das ist mehr, als es auf den ersten Blick aussieht: Aus seinem seelsorglichen Kontext versteht es Plentinger, Dinge im Gespräch zu 'sortieren' und Themen zu reflektieren. „Für viele ist allein das schon eine große Hilfe, weil sie anschließend klarer sehen“, weiß er. Wenige der Menschen, mit denen er auf diesem Weg zu tun hat, haben eine enge Beziehung zur Kirche, manche begegnen ihr mit vielen Vorurteilen. Nicht selten kann Martin Plentinger solche Vorurteile entkräften. „Immer wieder begegne ich Leuten, die sich wundern und freuen, dass Kirche auch in ihrem Betrieb präsent ist und ihnen sogar zur Seite steht“, so der Theologe.
Neun Jahre lang war Martin Plentinger Geschäftsführer der Katholischen Stadtkirche; aus dieser Zeit kann er auf viele Erfahrungen im Miteinander von beruflichen Strukturen und Hierarchien zurückgreifen. Als Betriebsseelsorger ist er Ansprechpartner für Personalvertretungen, lädt ein zu Beratungsgesprächen und setzt sich für gute menschliche Arbeitsbedingungen auf der Grundlage der katholischen Soziallehre ein. „Wir möchten dem Menschen in der Arbeitswelt nah sein, uns stark machen für seine Würde“, so Plentinger. Damit identifiziert er sich stark auch mit dem, was Papst Franziskus immer wieder thematisiert. „Wenn man die Leute in ihrer Sorge ernst nimmt, ihnen ein offenes Ohr für ihre Probleme signalisiert und damit auch aktiv Berührungsängste abbaut, bekommt man meist viel Offenheit zurück“, weiß der Kirchenmann.
Martin Plentinger ist im Nürnberger Süden aufgewachsen, hat in Eichstätt Theologie und Pädagogik studiert, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Als Pastoralassistent arbeitete er von 1992 bis 1995 in der Nürnberger Pfarrei Herz Jesu, anschließend war er bis 2004 als Pastoralreferent in St. Georg in Nürnberg-Ziegelstein tätig.
Als Betriebsseelsorger ist es ihm wichtig, Diskussionen in Gang zu bringen und neue Akzente zu setzen. „Als 'kirchlicher Außendienst-Mitarbeiter' hat man so viele Möglichkeiten, raus zu gehen an die Ränder und einen sich lohnenden Perspektiv-Wechsel zu erleben“, findet Plentinger. In vielen innerkirchlichen Bereichen gebe es diese wertvolle Entdeckung und Erfahrung kaum (noch). Umso motivierter ist der Theologe, seine Aufgabe mit viel Offenheit und langem Atem zu bestreiten: Spannend dabei sei insbesondere die Begegnung mit so vielen unterschiedlichen Menschen, die so ganz anders 'tickten'. „Ich möchte jedem Einzelnen vorbehaltlos begegnen“, hat Plentinger sich vorgenommen. „Zuhören ist das Wichtigste“.