Zum fünften Mal trafen sich Erzbischof Dr. Ludwig Schick und Gewerkschaften aus dem Erzbistum zum Gespräch
Fünf Kardinaltugenden für die Gewerkschaften
"Was ist gute Arbeit?“ lautete das Thema des Gedankenaustausches, zu dem sich Erzbischof Dr. Ludwig Schick und rund 20 Vertreter der Gewerkschaften im Bistumshaus St. Otto getroffen hatten. Dazu eingeladen hatte die Betriebsseelsorge des Erzbistums.
Nach der Begrüßung durch Betriebsseelsorger Norbert Jungkunz berichtete Wolfgang Stahl von Ver.di über die Demonstration der Telecom-Mitarbeiter, zu der er gleich danach aufbrach. Für diese bedeuten die geplanten Änderungen einen Lohnverlust von 40 Prozent. 200 Menschen im Bamberg seien davon betroffen. Er bat den Erzbischof um Unterstützung und überreichte ihm zur Information entsprechende Unterlagen.
Volker Seidel von der IG Metall Ostoberfranken erklärte in seinem Impuls-Referat, „gute Arbeit“ bedeute „gute Mitbestimmung“. Gute Arbeit bewirke, dass sich Leistunsgfähigkeit und Gesundheit auf das gesamte Arbeitsleben erstrecke. Dauerstress, Leistungsdruck, Leiharbeit, befristete Arbeit und ähnliches mehr seien eine Gesundheitsgefahr. Nur ein Drittel der Beschäftigten würden aber das Rentenalter erreichen. Eine Untersuchung habe gezeigt, dass nur drei Prozent der Beschäftigten ihre Arbeit als „gute Arbeit“ bezeichnen würden. Gute Arbeit sei nur mit guter Mitbestimmung, durch starke Betriebsräte und starke Gewerkschaften zu erreichen – „sonst läuft nix“, betonte Seidel.
Rita Wittmann von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di berichtete von einer Untersuchung, die ergeben habe, dass 92 Prozent der Beschäftigten in allen Branchen ein festes, verlässliches Einkommen sehr wichtig sei. Darüber müsse man öffentlich diskutieren, zumal die Flächentarifverträge, die ein verlässliches Einkommen sichern würden, wegbrächen.
Dass die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn nötig ist, sei eigentlich ein Schwächezeichen der Gewerkschaften.
Heute werde in der Arbeitswelt nicht mehr der Mensch als Mensch sondern nur als Kostenfaktor gesehen – zum Beispiel bei der Rente mit 67 Jahren. Wittmann gab auch zu bedenken, dass durch das Abschaffen der Ladenschlusszeiten und durch verlangte Flexibilität der Arbeitszeit auch die Familie als Gemeinschaft abgeschafft werde.
Impulse aus der Bibel gab zum Thema der Leiter der diözesanen Betriebsseelsorge Dr. Manfred Böhm. Die Sklavenarbeit der Israeliten unter dem Pharao sei der Auslöser des Exodus gewesen. Dieser Auszug aus Ägypten in das Gelobte Land sei für die Juden die „Quelle zur Selbstentfaltung des Menschen“ geworden. Der Mensch wurde Mensch erst durch die Arbeit.
Daraus hätten sich Kriterien für die „gute Arbeit“ entwickelt:
- Eine regelmäßige Unterbrechung der Arbeitszeit durch den Sabbat. Dies sei, so betonte Böhm, das „erste Arbeitsschutzgesetz“ in der Geschichte gewesen.
- Gute Arbeit sei eingebunden in die Schöpfung durch die biblische Forderung, den „Garten Eden zu bebauen und zu bewahren“.
- Eine angemessen Bezahlung der Arbeit sei nötig. Die katholische Soziallehre fordere einen „gerechten Lohn“, von dem der Mensch in Würde leben könne. Das bedeute, dass der Mensch mit diesem Lohn eine Familie gründen, sie erhalten und ihr Fortbestehen sichern können müsse. Arbeit habe ihre eigene Würde, zitierte Böhm Papst Johannes Paul II. Arbeit sei keine Ware, sondern an den Menschen gebunden. Dieser habe das Recht, sich in Arbeitnehmer-Vereinigung zu organisieren.
Erzbischof Schick nannte dazu fünf Punkte:
- Der Mensch müsse Geld verdienen, um seine Familie zu erhalten, seine Freizeit zu gestalten und soziale Kontakte zu pflegen.
- Arbeit sei Anerkennung der eigenen Person, um eigene Talente entwickeln zu können.
- Der Mensch müsse durch seine Arbeit auch am Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik teilnehmen können.
- Durch Arbeit lebe der Mensch in der Gesellschaft mit.
- Die Schöpfung sei uns gegeben, an deren Vollendungprozess alle teilnehmen können sollten.
Die Gewerkschaften müssten ins Gespräch mit den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern und den Verbänden kommen, um diese Prinzipien einzubringen, betonte Schick. Leider kämen die Gewerkschaften in der Öffentlichkeit nur als Organsiationen vor, die immer nur verteilen wollten.
Nicht nur die Kardinaltugend Gerechtigkeit müsste von den Gewerkschaften verfolgt werden, sondern auch die der Tapferkeit, um kurzfristiges Denken zu vermeiden (wie zum Beispiel bei der Leiharbeit und der Anstellung auf Zeit). Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Politiker und Sozialverbände müssten Tapferkeit zeigen, um dem begonnenen Aufschwung Dauer zu verleihen.
Ein andere Kardinaltugend, die es zu beachten gelte, sei das Maß. Die Maßlosigkeit mancher „der da oben“ – auch Betriebsräte seien dabei –, das „Zugreifen ohne Rücksicht auf Verluste“ könne nicht gut gehen.
Auch die Kardinaltugend Weisheit sei gefragt. „Wer heute nur an sich denkt und nicht das Morgen und Übermorgen im Blick hat, dem fehlt die Weisheit. Wir sind verantwortliche für die nachfolgenden Generationen, erklärte der Erzbischof.
In der Diskussion dürfe auch nicht nur das eigene Land im Blickpunkt stehen. Die Verantwortung für die Nachbarländer und die weltweite Menschengemeinschaft müssten in den Gesprächen und im Handeln beachtet werden. Die Gewerkschaften sollten auch die internationalen Beziehungen pflegen, um in einer globalisierten Welt dem Frieden zu dienen. Was wir hier fordern, müsse auch immer die Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika im Blick haben.